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Kultur: Treu bleiben!

Wer dieser Tage versucht, durch den touristischen Mahlstrom um den Potsdamer Platz ins Filmhaus vorzudringen, benötigt schon einen eisernen Willen, um zwischen sich verlustierenden Menschenmassen und Sicherheitssperren das Ziel nicht aufzugeben. Verständlich, dass die dort ansässigen Arsenal-Betreiberinnen in der fußballnärrischen Zeit lieber in Ruhe kommende Projekte vorbereiten.

Wer dieser Tage versucht, durch den touristischen Mahlstrom um den Potsdamer Platz ins Filmhaus vorzudringen, benötigt schon einen eisernen Willen, um zwischen sich verlustierenden Menschenmassen und Sicherheitssperren das Ziel nicht aufzugeben. Verständlich, dass die dort ansässigen Arsenal-Betreiberinnen in der fußballnärrischen Zeit lieber in Ruhe kommende Projekte vorbereiten. Das Arsenal wird am 10. Juli wieder geöffnet, als Erstes steht eine Eisenstein-Retrospektive auf dem Programm.

Fast verträumt still wirkt dagegen der Juni auf der Bleibtreustraße, wo Franz Stadler vom Filmkunst 66 auf sein bildungsbürgerliches Charlottenburger Publikum setzt und bis zum 12. Juli mit dem Klassik-Filmfestival das Kino mit den darstellenden Bühnen-Künsten verkuppelt. Von Adolphe Adam bis Oscar Wilde, Cinderella bis Spartakus, Ballett bis Theater: Stadler tischt, historisch bis in die vierziger Jahre ausladend, reichlich auf. Neben Adaptionen von Bühnen-Klassikern wie Joseph Loseys Don Giovanni (GB 1980, Sonnabend in OmU) oder Gustaf Gründgens Faust von 1960 (am Sonntag) gibt es mit Marcel Carnés Kinder des Olymp (Frankreich 1943-46, Dienstag) auch Kino, das mit ganz eigenem Recht zum cineastischen Klassiker gewachsen ist.

Längst zum Super-Klassiker avanciert ist auch Alfred Hitchcock, dessen Filme selbst hundertfache TV-Wiederholungen unbeschadet überstehen. Dennoch kommt das frostige Technicolor von Hitchcocks klassischster Phase in den fünfziger und sechziger Jahren erst im Kino richtig zu Geltung, noch schöner, wenn, wie jetzt am Sonntag im Lichtblick, North by Northwest in einer OmU-Kopie gezeigt wird. Einen ganz frühen Hitchcock ohne Farben und originalen Ton gibt es in der Komischen Oper zu sehen und hören, wo am Montag der Stummfilm The Lodger zur Aufführung kommt. Die musikalische Begleitung liefert das Babelsberger Filmorchester. 30 Jahre vor Cary Grants atemraubender Flucht wartete auch diese Jack-the-Ripper-Geschichte aus dem Londoner Nebel schon mit den Zutaten auf, die zu Hitchcocks Markenzeichen werden sollten – Blondinen, falsche Verdächtigungen und die Verknüpfung ausgefuchster kinotechnischer Effekte mit scharfer Beobachtungsgabe fürs alltägliche humoristische Detail. Seelische Abgründe und kindliche Unschuld: So scheinbar selbstverständlich wie Hitchcock hat das nie wieder jemand zusammengekriegt.

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