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Königin. Cumbia-Sängerin Totó la Momposina aus Kolumbien.

© Gabrielle Saplana

Weltmusik: Trommeln in der Nacht

Polonaise durch Schinkels Saal: Totó la Momposina und ihre Band beim Südamerika-Festival im Konzerthaus.

Zarte Palmen recken ihre Blätter wie Fühler in die Gänge. In sattem Orange strahlen die Foyers des Konzerthauses, als sei im Haus am Gendarmenmarkt die Caprisonne aufgegangen. Im übrigen ist Spanisch deutlich die Sprache des Abends, die Pausenbüffets haben ihr Angebot um Empanadas erweitert, dazu gibt es ein Glas Malbec aus Argentinien. Noch bis Sonntag feiert das Konzerthaus die Musik Südamerikas – und ist ausverkauft, wenn es einmal nicht um Kunstmusik geht, sondern um die Kraft der Wurzeln.

Aus Kolumbien ist Totó la Momposina mit ihrer Band angereist. Die 73-jährige Königin der Cumbia ist eine Legende. Aus einer Musikerfamilie stammend, sammelt sie seit ihrer Jugend die musikalischen Traditionen ihrer Heimat und bündelt sie zu fasslicher, souveräner Kraft. Als Afrokolumbianerin war ihr Singen auch immer ein politisches Statement gegen den Rassismus einer weißen Oberschicht. Die Cumbia, erklärt Totó la Momposina, ist die Musik überfallener und besiegter Völker, der indianischen Urbevölkerung und afrikanischer Sklaven. Über den Rio Magdalena wurden sie einst verschifft, an seinen Ufern wuchs Totó la Momposina auf.

Es sind die afrikanischen Trommeln, die weiblichen wie die männlichen Instrumente, die das Fundament der Cumbia legen. Sie ist ursprünglich ein ritueller Paartanz, wie die Sängerin mit einem ihrer Schlagzeuger umeinanderkreisend andeutet. Eigentlich gehört noch eine Kerze in die Hand der Frau, um dem Erwählten den Weg leuchten zu können. Und Zeit: Ein voller Cumbia-Zyklus erstreckt sich über drei Tage. Das Konzerthaus hat für einen Abend die Bestuhlung im Parkett ausgebaut, um Tänzern barrierefreies Agieren zu ermöglichen. Die Schritte sind einfach, das Durchhalten oder besser das In-Trance-Geraten die Herausforderung. Notfalls tut es auch eine Polonaise durch Schinkels Saal.

Totó la Momposina zeigt keinerlei Ermüdungserscheinungen auf der Bühne, ihre Stimme durchdringt den schlagenden Rhythmus zu jedem Zeitpunkt. Die Dramaturgie des Abends nimmt ihren Ausgangspunkt bei den Tambores, erst nach und nach mischen sich Gaitas dazu, die Kaktusflöten der kolumbianischen Bergregionen – bis auch Trompete, Klarinette, Saxofon, Tuba und zuletzt E-Gitarre samt Bass einfallen dürfen. Der Ensembleklang wird von der Verstärkeranlage nicht allzu feinsinnig ins Parkett gespült, wo sich kurz die kolumbianische Flagge zeigt, Blumen im Haar wippen und auch Tränen der Rührung fließen. Ja, die Cumbia handelt auch von der Liebe, doch huldigt sie eher deren unerschöpflicher Energie als amourösen Qualen. Keine Frage: Totó la Momposina leuchtet den Jungs heim. Ulrich Amling

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