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Kultur: Trutzburg in Beton und Stahl

Lange hatte Barcelona auf sein neues Auditorium warten müssen. Vor zehn Jahren begonnen, sollte das Bauwerk des spanischen Architekten Rafael Moneo ursprünglich zu den Olympischen Sommerspielen 1992 vollendet sein.

Lange hatte Barcelona auf sein neues Auditorium warten müssen. Vor zehn Jahren begonnen, sollte das Bauwerk des spanischen Architekten Rafael Moneo ursprünglich zu den Olympischen Sommerspielen 1992 vollendet sein. Doch finanzielle Probleme zögerten die Fertigstellung des Konzerthauses um ganze sieben Jahre hinaus. Seit Eröffnung der Spielsaison im Frühjahr ist zwar die Zeit der Bauruine vorüber, aber das Gebäude wirkt nun wie eine Trutzburg in unwirtlicher Umgebung.Der städtische Kontext mit trister Wohngegend, Landesarchiv, U-Bahn und Imbißbuden innerhalb des belebten Verkehrsdreiecks von Avenida Meridiana, Carrer de Marina und Gran Via entbehrt jeder rationalen Stadtplanung. Die großzügige Baufläche mit unklaren Merkmalen machte es geradezu unmöglich, angemessen auf das heterogene städtische Umfeld einzugehen. So konzedierte Rafael Moneo denn auch, daß der Dialog zwischen Grundstück und Architektur Gefahr läuft, zu einem reinen Monolog zu werden. Nach der zehnjährigen Bauzeit hat es den Anschein, daß Moneo nieernsthaft dieser Gefahr ausweichen wollte. Jedenfalls steht das "Auditori" heute als ein autonomer Baukörper da, der weder einen Bezug noch ein klares Spannungsverhältnis zu seinem Umfeld aufbaut. Auch zu Ricardo Bofills angrenzendem "Teatre Nacional de Catalunya" - bereits vor einigen Jahren fertiggestellt - wirkt es merkwürdig deplaziert: Während Moneos quaderförmiges Bauwerk in sich verschlossen ist, folgt Bofills Nationaltheater mit seinem neoklassizistischen Stil und seiner umlaufenden Glasfassade einem völlig konträren architektonischen Konzept.Während sich Moneo nicht wirklich der städtebaulich ungeklärten Situation stellte, legte er um so größeren Wert auf eine überzeugende bauästhetische Lösung, die klar die konstruktiven Eigenschaften herausstellt. Der prismatische, langgestreckte Baukörper fällt an den Außenfronten durch ein Gerippe aus Sichtbeton auf, dessen Ausfachungen aus rötlichem Cor-ten-Stahl das äußere Erscheinungsbild weiterhin prägen. Das Auditorium wird im Süden von einer Pergola aus Beton begrenzt, während der mittlere Bereich des Erdgeschosses beidseitig einen offenen Durchgang gewährt, der die strenge Gebäudestruktur sichtbar auflockert. Während der Haupteingang mit weit vorkragendem Dach wie eine Loggia gestaltet wurde, wirkt der gegenüberliegenden Eingangsbereich, der über einen weiträumigen Platz erreichbar ist, wesentlich unspektakulärer. Moneo entschied sich gegen ein gemeinsames Foyer für die im Auditorium untergebrachte "Sala Sinfònica" und den Kammermusiksaal. Dagegen gestaltete er das Foyer als öffentlichen Raum, der einerseits den Zugang zu Musikmuseum und Musikhochschule und andererseits den Zutritt zu den Konzerträumen regelt. In diesem öffentlichen Bereich, über dem Durchbruch des Haupteingangs, befindet sich eine besondere Attraktion des "Auditori", ein diagonal gedrehter gläserner Würfel mit etwa dreißig Metern Kantenlänge. Das Liniensystem des Malers Pablo Palazuelo, die LichtSchatten-Spiele auf dem Würfel und der freie Blick zum Himmel setzen diese überraschende Öffnung in spannungsvollen Gegensatz zu dem etwas hermetischen Charakter des Konzertgebäudes.Der Eindruck der strengen Fassadengestaltung verfliegt endgültig im Innenbereich. Im hellen, großzügig gestalteten Pausenraum erkennt man bereits das Prinzip der Raumorganisation im Gebäudeinnern: statt des abweisenden Cor-ten-Stahls wird hier für die Ausfachungen - aber auch für den Fußboden - warmes Ahornholz eingesetzt. Die Sitzgelegenheiten stechen hervor durch intensives Preußisch-Blau.Das Prinzip, einen klaren Gesamteindruck durch Verwendung nur sehr weniger Materialien zu erreichen, wurde schließlich in der "Sala Sinfònica" auf die Spitze getrieben: Der Saal ist vollständig mit Ahorn ausgekleidet, nur die Sitze sind im üblichen Blau gehalten. Trotz des sanften Holztons überwiegt die geometrische Strenge der Raumgestaltung. Die Zuschauerränge steigen, ausgehend vom Orchesterpodium, fächerförmig an, über ihnen befinden sich die rechtwinkligen Ausbuchtungen der Logen. Diesem orthogonalen Formwillen setzt sich einzig das kreissegmentförmige, massive Schallsegel entgegen, das aber weniger ästhetischen als akustischen Anforderugen dient.Bofill und Moneo haben dem Gelände vor der Placa Glories Catalanes ein markantes, wenngleich heterogenes Profil gegeben. Es bleibt abzuwarten, ob der von Moneo ersehnte Dialog zwischen den beiden Kunsttempeln und dem städtischen Umfeld in Zukunft Früchte trägt. Das unweit gelegene Olympische Dorf gibt zumindest Anlaß zur Hoffnung.

KLAUS ENGLERT

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