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Kultur: Tücke der Liste

Gerrit Bartels freut sich auf den Dezember

Je schneller sich das Jahr seinem Ende entgegenneigt, desto näher rückt die Zeit der Jahresrückblicke und vor allem jene der Listen: Platten des Jahres, Filme des Jahres, Bücher des Jahres etc. Diese Listen lassen sich zugänglich und privat gestalten, gerade wenn sie thematisch vorgegeben oder als Ranking gedacht sind, und werden dann mit Anmerkungen und Begründungen versehen. Oder sie werden einfach so zusammengestellt, sicher nach eingehender Auswahl, aber auch nach dem Motto: Sucht’s euch was aus!

Am Sonntag macht die „Book Review“ der „New York Times“ einen Anfang – mit ihrer Liste der 100 Bücher des Jahres, lediglich alphabetisch geordnet und aufgeteilt in Belletristik und Non-Fiction. Klar, wer in der Belletristik alles so drin steht: zum Beispiel Philip Roth, John Updike oder Richard Powers, deren neuen Romane dieses Jahr alle auch auf Deutsch erschienen sind, natürlich auch Thomas Pynchon mit „Against the Day“ (hierzulande für 2008 anvisiert). Oder Richard Ford, der seinen Sportreporter und Immobilienmakler Frank Bascombe zurückkehren lässt und mit den Malaisen des Alters konfrontiert (auf Deutsch im Herbst 2007). Schon weniger klar wird das Ganze, wenn man anfängt zu überlegen, welches das bessere und das schlechtere Buch war und ob nicht Roths „Jedermann“ in seinem Gesamtwerk ein eher schwächeres Buch darstellt und Updikes „Terrorist“ völlig unnötig war.

Allerdings ist gerade dies das Schöne an der „New-York-Times“-Liste: Sie wertet nicht. Man kann zwar den Kopf schütteln und schimpfen. Man kann sich aber immer noch was Weiteres raussuchen, kann aufstocken, nachholen, vormerken. Ja, die Liste hat was von einem alljährlich erneut gültigen Literaturwelterklärungsmodell. Das wahrhaft Frustrierende an ihr jedoch ist, gerade wegen ihrer irgendwie laxen Hingeworfenheit: Alle Bücher schafft man nie – und mehr als 5000 im Leben gehen sowieso nicht, hat Arno Schmidt einmal ausgerechnet. Zumal das neue Jahr drängt, die Frühjahrstitel, die Herbsttitel, in den USA, hier, überall. Insofern wirkt auch diese Liste wie der Gruß aus einer zwar großen, aber schon fernen Vergangenheit, und dann kommt der Grabbeltisch.

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