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Kultur: Und donnerstags Skat

Der Genaue, der Gelassene: Hans Helmut Prinzler, Chef des Berliner Filmmuseums, geht in Pension. Ein Abschiedsgruß von Rosa von Praunheim

Seit über 36 Jahren spielt der Direktor der Kinemathek, Hans Helmut Prinzler, mit der wunderbaren Helene Schwarz und dem Cutter Hans Otto Krüger fast wöchentlich Skat. Am Anfang der Skatrunde Ende der sechziger Jahre war Hans Helmut Studienleiter an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin (dffb), Fotos zeigen ihn sehr dünn und elegant eine Zigarette rauchend. Die frühen Siebziger waren höchst politisch an der Akademie und radikal. Der Student Holger Meins ging in den Untergrund und schloss sich der RAF an. Bei der Aufnahmeprüfung forderte der studentische Rat, hauptsächlich proletarische Studenten aufzunehmen. Die kommunistischen Fraktionen bekämpften sich; Hans Helmut blieb ruhig und diplomatisch – und versuchte mit Tricks, die jungen Filmschaffenden mit dem großen japanischen Regisseur und Ästheten Ozu bekannt zu machen.

Dann wechselte Hans Helmut 1979 an die Stiftung Deutsche Kinemathek und wurde 1990 deren Leiter. Mit vielen Mitarbeitern verwaltete er ein riesiges Filmarchiv, dessen Pflege und Erneuerung damals noch an der Pommernallee, später an der Heerstraße geschah. 2000 gelang ihm der Umzug in das gigantische Sony-Gebäude am Potsdamer Platz. Hier eröffnete er auch das Filmmuseum, mit ständig wechselnden Ausstellungen von Stars des deutschen Films. Ihm gelang es auch, die Gelder für sein neuestes Werk zusammenzubekommen – das Fernsehmuseum, das am 4. Mai mit der Ausstellung „Tor“ zur Fußballweltmeisterschaft eröffnet. Aber da ist Prinzler schon Privatier. Am 31. März wird er von der Kinemathek verabschiedet.

Nun nimmt man an, bei dieser Vielfalt muss Hans Helmut nervös, angespannt und ungeduldig sein. Nein, es ist der Skat, auf den er sich freut, es sind die Gespräche mit der klugen Helene Schwarz, die mit 79 Jahren immer noch an der dffb tätig ist. Seit zehn Jahren bin auch ich in die erlauchte Skatrunde aufgenommen. Als Helene mich bei Hans Helmut als neuen Spieler vorstellte, fragte er nur lakonisch: „Mit Ficken oder ohne?“ Nachdem ihn Helene beruhigen konnte, dass ich manchmal Kartenspielen schöner finde als Sex, ließ er mich mitspielen.

Hans Helmut ist ein ausgeglichener Spieler – keiner, der hoch gewinnt und hoch verliert wie ich, sondern er spielt überlegt, klug und manchmal zu vorsichtig. Ich muss ihn dann schon mal zum Grand zwingen.

Natürlich frage ich ihn nach seinem Liebesleben aus. Aber er ist immer diskret, überspielt meine Provokationen mit gütigem Lächeln, weist auf seine glückliche Ehe und seine drei klugen Töchter hin. Nur eine Geschichte gab er vor kurzem preis. Als der neue Kulturstaatsminister Bernd Neumann ihn bei der Eröffnung der jüngsten Berlinale vor großem Publikum wegen seines Engagements für den deutschen Film lobte, sah das seine erste große Liebe im Fernsehen. Sie schrieb ihm einen Brief. Er war sehr gerührt und sagte, er wolle sich mit ihr treffen.

Das Aufregendste an Hans Helmut ist, dass er so ungehemmt lachen kann. Dann hält er sich den Bauch, dann lacht er immer lauter, dann tränen seine Augen – und uns bleibt nichts anderes übrig als mitzulachen, obwohl wir den Anlass schon längst vergessen haben. In diesem Sinne behalte deinen Humor.

Ich wünsche dir, Hans Helmut, alles Liebe und danke für deine Unterstützung. Auch wenn du oft im Skat gewinnst, ich ärgere mich nur heimlich. Offiziell muss ich anerkennen, dass du einfach klüger spielst als ich.

Ich weiß, dass du dich auch in Zukunft nicht langweilen wirst. Du wirst mir Konkurrenz machen als Dokumentarfilmer (ein Projekt über die Geschichte des deutschen Films). Du schreibst schon heftig an deinen Memoiren (ich hoffe, auch über deine erste große Liebe, die inzwischen Mutter einer bekannten Schauspielerin ist). Und du wirst als Direktor der Abteilung Film und Medienkunst der Akademie der Künste weiter aus der Passivität helfen und bestimmt viele kluge Veranstaltungen initiieren. Nur donnerstags, da spielen wir Skat.

Rosa von Praunheim lebt als Filmregisseur in Berlin. Seine jüngsten Filme: „Dein Herz in meinem Hirn“, die Doku „Wer ist Helene Schwarz?“ und „Kühe, vom Nebel geschwängert“.

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