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Kultur: Und ewig ruft das Tennismädchen

Regisseur Hendrik Handloegten über das Elend der Achtziger und seinen Film „Liegen lernen“

Sie haben mit „Liegen lernen“ die Geschichte eines jungen Mannes verfilmt, der über seine erste große Liebe nicht hinwegkommt. Er hat das Pech, in den Achtzigerjahren erwachsen zu werden. Haben Sie auch Jacketts mit hochgekrempelten Ärmeln getragen?

Nie.

Und Wildlederjacken?

Ja, eine ganz neue mit Strickbündchen am Ärmel. Ich hatte sie bei C & A gekauft. War sehr schick damals und ich habe sie lange getragen. Dann war sie mir zu kurz, aber ich fand keine schönere.

Haben Sie Duran DuranPlatten gehört?

Bis 1980 habe ich ausschließlich Beatles gehört. Dann kamen zwei andere Bands hinzu: Dire Straits und Fischer Z. Komischerweise auch in dieser Kombination. Das fürchterlichste Erlebnis aus dieser Zeit war, dass ausgerechnet Fischer Z. im Vorprogramm von Dire Straits auftrat. Mein Bruder durfte hin und ich war zu klein. Da war ich elf. Meine Eltern waren nicht zu erweichen.

Frank Goosen, der Autor der Romanvorlage, schreibt über die Achtziger, sie seien keine gute Zeit gewesen, „jedenfalls keine Zeit, auf die man voller Sentiment zurückblickt“. Aber ich habe das Gefühl, dass Sie genau das tun. Und Sie stehen damit nicht allein.

Dass es jetzt eine Anhäufung von Achtzigerjahre-Stoffen gibt, ist simpel zu erklären. Romanautoren und Filmemacher über Dreißig können zum ersten Mal auf einen abgeschlossenen Lebenszyklus zurückblicken. Und sie landen automatisch in den Achtzigern. Als amerikanische Filmemacher wie Scorsese oder Coppola in den Siebzigern zu drehen begannen, widmeten sie sich auch einer Epoche, die sie als Jugendliche miterlebt hatten, den Fünfzigern. Aber ich wollte „Liegen lernen“ zunächst gar nicht machen. Denn mit „Paul is dead“ hatte ich bereits einen Film gedreht, der 1980 spielt. Was mich dann doch überzeugte, war die Tatsache, dass die Achtziger in „Liegen lernen“ nur den Hintergrund bilden für eine universelle Geschichte. Helmut kommt über seine Jugendliebe nicht hinweg, sie steht allen Frauen, denen er begegnet im Weg, bis er die eine trifft, die er auf Augenhöhe ansehen kann.

Es war ihnen nicht peinlich, einen deutschen Roman zu verfilmen, der wie ein schlechter amerikanischer Western beginnt?

Wieso?

Na, eine Kneipentür fliegt auf und heraus stürzt ein Betrunkener und landet im Dreck.

So habe ich das nicht gesehen. Der Film beginnt anders: mit einer Galerie von Männern, die an merkwürdigen Orten ihren Gedanken nachhängen.

Während im Buch Helmut seine Jugendliebe einfach aus den Augen verliert, haben Sie im Film dafür gesorgt, dass sie sich noch ein letztes Mal begegnen. Warum?

Als ich das Buch las, habe ich die ganze Zeit dem Augenblick entgegengefiebert, da sie sich noch einmal wiedersehen. Das passierte dann nicht, und ich war sehr enttäuscht. Ich fand diesen Schluss unbefriedigend. Die Geschichte war so nicht zu Ende erzählt, zumal mir Freunde immer wieder berichteten: „So eine hatte ich auch, die hieß Sabine Gutman. Und soll ich dir was sagen? Ich habe sie neulich im Supermarkt wieder getroffen und gedacht, tja, ist ja auch nur ein Mensch.“ Mit dieser Erkenntnis ist die Geschichte fertig.

Dann ist der Film eigentlich über die Neunziger, die so unübersichtlich wurden, dass man sich an die Achtziger als eine stabile Ordnung zurückerinnert?

So idyllisch war das nicht. Ende der Achtziger hatte man den Eindruck, dass sich überhaupt nichts mehr ändert. Drüben saßen die Bösen, wir waren die Guten. Und so bleibt es immer. Ich war zudem der absurden Situation ausgesetzt, als Westdeutscher in Ostberlin zu leben. Wir wohnten in der Leipziger Straße, da mein Vater in der Ständigen Vetretung arbeitete, doch zur Schule ging ich in Tempelhof. Jeden Tag überquerte ich die Mauer mehrere Male. Ich hatte einen Pass, der wie ein Tennisclub-Ausweis aussah, und wurde nie kontrolliert.

Trugen Sie einen Anti-AKW-Button?

Ich war politisch nicht engagiert.

Auch kein „Why?“-Poster im Zimmer?

Nein. Ich war wie der Lange Schäfer aus meinem Film, der Musikfreak und sendungsbewusste Plattenaufleger, der Depressionen bekommt, weil sich das Tennismädchen wieder nur den größten Hit des Jahres wünscht.

Was passiert mit einer Generation, die sich an ihre Jugend nicht als die beste Zeit ihres Lebens erinnert?

Das mache ich trotzdem. Trotz der bleiernen Glocke, die über beiden Ländern hing und trotz des ewigen Kanzlers. Jugend kennt kein Zeitalter.

Das Gespräch führte Kai Müller.

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