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Julian Barnes

© Reuters

Unsterblichkeitsauktion in London: Vergessen ist besser

In London kann man sich jetzt ersteigern, mit eigenem Klarnamen in einem noch zu schreibenden Roman eines prominenten Autors aufzutauchen. Wirklich eine gute Idee?

Ist das nicht der Traum eines jeden Lesers, einer jeden Leserin? Einmal als Figur in einem Roman eines berühmten Schriftstellers auftauchen, mit Klarnamen und vielleicht auch anderen realen Erkennungszeichen? Vielleicht in einem von Julian Barnes, Zadie Smith, Ian McEwan oder Margaret Atwood? Die Möglichkeit dazu gibt es jetzt in London, wo die Stiftung „Freedom from Torture“ am 20. November unter der Schirmherrschaft von Barnes eine sogenannte Unsterblichkeitsauktion ausrichtet. Auf der kann man den Namen einer Figur in einem noch unveröffentlichten Roman ersteigern, von oben genannten, aber auch von zahlreichen anderen britischen Autoren und Autorinnen wie Alan Hollinghurst, Will Self, Joanna Trollope, Robert Harris oder Ken Follett.

Der Name muss natürlich nicht der eigene sein, man kann auch einen x-beliebigen ersteigern, den eines Freundes oder den von der Geliebten. Und womöglich auch von jemandem, dem man Böses will? Denn was die Schriftsteller mit ihren Figuren machen, ist schließlich ihre Sache – und dann ist das mit der Unsterblichkeit schon wieder so eine Sache. Da kann aus dem Traum schnell ein Albtraum werden, guter Zweck hin oder her.

Man denke nur an die Menschen, die sich ohne ihr Einverständnis und Zutun in einem Roman porträtiert sahen, das gar nicht schön fanden und die Veröffentlichung unterbinden wollten. Klar, die Regel ist das nicht, stillhalten ist manchmal besser. Und wen haben hierzulande etwa ein Joachim Lottmann, ein Rainald Goetz oder ein Wolfgang Herrndorf nicht schon alles in ihren Büchern untergebracht, ohne dass ihnen gleich eine Unterlassungsklage in Haus gesendet worden ist! Bis hin zu Florian Hensel und Jana Illies, deren Namen Wolfgang Herrndorf einst in einer Erzählung droppte. Aber die Gefahr, dass Claudia Mustermann plötzlich ihr ungutes Eigenleben im nächsten Roman von Julian Barnes führt, besteht. Und dann könnte es schnell vom Auktionssaal direkt in den Gerichtssaal gehen.

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