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Ausnahmezustand. Krankenschwester Nagwa (Nelly Karim) beschützt ihren Sohn vor der Willkür der Polizei.

© Missingfilms

Ägyptischer Thriller „Clash“: Unter Beschuss

Paranoia im Polizeibus: Mohamed Diabs Politthriller „Clash“ über den Konflikt mit der Muslimbruderschaft in Ägypten.

Von Andreas Busche

Durch die vergitterten Fenster eines Gefangenentransporters wirkt die Welt klein und unübersichtlich. Diese Perspektive wählt der ägyptische Regisseur Mohamed Diab für seinen zweiten Spielfilm „Clash“, ein Politthriller zwischen Allegorie und Kammerdrama. Der Film spielt über die gesamte Länge von 98 Minuten in der mobilen Zelle eines Polizeibusses während eines Großeinsatzes – wenige Tage nach der Absetzung von Präsident Mohammed Mursi durch das Militär. Kairo wird von Straßenschlachten zwischen der Armee und Anhängern der Muslimbruderschaft erschüttert: der größte Protest, den das Land in seiner jüngeren Geschichte erlebt hat.

Die durch die arabische Revolution von 2011 beflügelte Hoffnung, dass auch in Ägypten nach 30 Jahren unter dem Autokraten Mubarak endlich eine freiheitliche Demokratie einkehrt, haben sich verflüchtigt. Die Muslimbruderschaft verurteilt die Absetzung ihres Präsidenten Mursi als Staatsstreich, die Militärregierung geht mit äußerster Härte gegen die Demonstranten vor – wahllos. Die Anhänger Mursis werden genauso aufgegriffen wie die Gegner einer islamischen Republik unter Führung des politischen Arms der Bruderschaft. Das Vorgehen der Polizei führt zu der absurden Situation, dass sich in dem Bus mit jedem Stopp eine buntere Gruppe von Ägyptern einfindet: ein – wohlmeinend, aber dramaturgisch auch etwas bemüht – repräsentativer Querschnitt durch die Bevölkerung: Da hockt der ägyptische Kriegsreporter amerikanischer Herkunft mit seinem Kameramann neben einem intellektuellen Vertreter der Bruderschaft und zwei junge Mursi-Gegner mit Smartphones neben einer Krankenschwester (der ägyptische Star Nelly Karim) mitsamt Sohn und Ehemann.

Diab sondiert die Lage mit Humor

Diab, der in Ägypten während der Massenproteste von 2011 als Aktivist und Blogger bekannt wurde, schafft mit seiner Inszenierung ein bedrückendes Klima aus Klaustrophobie und Paranoia – während draußen die Straßen brennen. Die Mursi-Gegner misstrauen dem vermeintlichen amerikanischen Journalisten, da sie den USA vorwerfen, die Islamisten zu unterstützen. Die Muslime dagegen haben sich schnell organisiert: Sie trennen die Gefolgsleute (es wird zwischen Anhängern mit und ohne Mitgliedschaft binnendifferenziert) von den Anhängern des Militärregimes und schaffen so eine Atmosphäre der Spannung, in der die Konflikte schwelen. Die Krankenschwester Nagwa darf sich nicht um einen verletzten Mann kümmern, ein 14-jähriges Mädchen, das in Begleitung ihres konservativen Vaters zwischen die Fronten geriet, lehnt die Unterstützung der Männer ab.

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Diab sondiert die Lage durchaus mit Humor, vor dem auch die Polizisten, die ihre Rolle in dem unübersichtlichen Konflikt selbst nicht verstehen, und gleichzeitig unter Dauerbeschuss stehen, nicht ausgenommen sind. Der comic relief steht seinem ernsthaften Anliegen mitunter im Weg, dramaturgisch schwächelt „Clash“ immer dann, wenn Diab versucht, die politische Allegorie in den Vordergrund zu stellen. Das gesellschaftliche Panorama, das sein Ensemble abbilden soll, zeigt die ganze Bandbreite von Meinungen und Positionen in Ägypten auf. Auch die Mitglieder der Muslimbruderschaft stellen keinen fundamentalistischen Block dar, sie geben eine Vielzahl von persönlichen Erfahrungen wieder. Doch die Konfliktlinien sind, auch innerhalb der beiden Parteien, allzu vorhersehbar, sodass die Argumente oberflächlich bleiben.

Eindrucksvoll ist „Clash“ als Kammerspiel. Kameramann Ahmed Gabr nutzt jeden Winkel des knappen Raums mit bravouröser Geschmeidigkeit. Seine mobile Kamera erzeugt ein zunehmendes Gefühl von Panik, je mehr Menschen in die Zelle gepfercht werden. Gleichzeitig erfasst seine strenge Kadrage durch die vergitterten Fenster das Chaos auf den Straßen. Die Situation eskaliert endgültig, als ein Scharfschütze den Gefangenentransport ins Visier nimmt und damit die räumliche Trennung zwischen innen und außen aufgehoben ist. Vor den Kugeln des Snipers ist niemand sicher. Diab entzieht seinem Film sukzessive das Vertrauen in die regulierenden Kräfte des Staates. Ein desillusionierendes Fazit.

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