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Kultur: Unter Geiern

Das Umschlagbild führt in die Irre. Ein Dreimaster schwankt zwischen Brechern.

Von Markus Hesselmann

Das Umschlagbild führt in die Irre. Ein Dreimaster schwankt zwischen Brechern. Er scheint direkt aus dem Film „Master and Commander" herübergesegelt zu sein. Doch zur Renaissance der Seefahrergeschichten passt diese Neuerscheinung nicht. „Das Sklavenschiff“ ist keine Abenteuergeschichte. Ein Wirtschaftskrimi schon eher. Sein Sujet ist das zynischste aller Geschäfte. Auf seiner „Reise in die Welt des Sklavenhandels“ (Untertitel) beeindruckt der Yale- Historiker Robert Harms mit einer breit angelegten Monographie, die obendrein gut erzählt ist.

Als Zeugen der Fahrt der „Diligent“ von Frankreich nach Guinea und weiter in die Karibik werden wir vertraut mit dem Denken der Merkantilisten, die Westafrika mit ein paar Strichen in Gold-, Elfenbein- und Sklavenküste unterteilen. Den Finanziers würde „kaum je der Gestank des Todes, welcher die unteren Decks ihres Schiffes durchzog, in die Nasen steigen“. Diesen großbürgerlichen Herren ist ein wichtiger Teil des Buches gewidmet. Dann lernen wir die Männer kennen, die sich die Hände schmutzig machen: Seeleute werden auf Sklavenschiffen zu Gefängniswärtern und Folterknechten. Karibische Pflanzer beuten die Arbeitskraft der Afrikaner brutal aus. Und Sklavenhändler – afrikanische wie europäische – liefern immer wieder Nachschub. Von Skrupeln wird der Geschäftssinn selten getrübt.

Und die Opfer? Harms liefert keine Saga à la „Roots“. Der Wissenschaftler erzählt nichts, das er nicht mit Dokumenten belegen kann. Die Afrikaner bleiben anonym, denn die Ware Mensch fand nur en gros Eingang in Register und Archive. Hin und wieder versetzt sich Harms ins Denken und Fühlen der Opfer hinein. Mit fragender Vorsicht – und Sarkasmus. Bedrohlich fremd mag den Afrikanern der Klang des Akkordeons vorgekommen sein. Das Instrument gehörte auf Sklavenschiffen zur Ausrüstung, da man glaubte, die Gefangenen damit vor Schwermut bewahren zu können. Trocken merkt Harms an, dass die Sklaven der „Diligent“ noch Glück hatten: Auf einigen Schiffen waren Dudelsäcke im Einsatz.

Robert Harms: Das Sklavenschiff. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh. 572 Seiten, 26 €.

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