zum Hauptinhalt
Alan Vega bei einem Konzert im März 2004

© AFP/Frank Perry

US-Musiker Alan Vega gestorben: Amerikanischer Alpträumer

Traue niemals einem Pop-Idol, warnte Alan Vega einst. Zum Tod des Rock'n'Roll-Erneuerers und Suicide-Musikers.

Es war vermutlich nicht leicht für Alan Vega im Hauptberuf „Legende“ zu sein und seit knapp vierzig Jahren als „Punk-Pionier“, „Rock’n’Roll-Erneuerer“ oder ähnliches zu gelten. „Als Legende bezeichnet zu werden bedeutet, du gehörst zum alten Eisen oder du bist schon tot“, hat der 1938 als Sohn jüdischer Einwanderer in Brooklyn geborene Vega einmal gesagt.

Aber was soll ein Musiker machen, wenn er gleich mit seinem allerersten Album eine Großtat vollbringt? Ein Album, das Rock´n´ Roll und Elektronik kühn und minimalistisch verschmolz und Punk, Techno und Synthie-Pop vorwegnahm? 1977 veröffentlichten Alan Vega und sein Partner Martin Rev unter dem Namen Suicide ihr Debüt, das heute so gar nichts von seiner Bedrohlichkeit, Zukünftigkeit und Frische verloren hat.

Vega ächzt, knautscht, stöhnt, schreit, dazu pluckern die von Rev bedienten Keyboards und Drummaschinen, es sirrt und flirrt, und Vega besingt den „Ghost Rider“ oder erzählt die Geschichte des Vietnam-Veteranen Frankie, der als Folge seiner posttraumatischen Störungen Frau und Kind umbringt.

Electro-Elvis der achtziger Jahre

Wie es jedoch mit wegweisenden Alben dieser Art ist: Die Welt außerhalb eines gleichfalls legendären Laden wie dem New Yorker CBGBs nahm davon nicht so viel Notiz, dafür umso mehr Musiker von Sonic Youth über Soft Cell, KLF, Jesus & Mary Chain bis hin zu Bruce Springsteen. Die ließen sich inspirieren – oder, wie manche Punks, hassten Suicide richtiggehend. Als das zweite Suicide-Album 1981 erschien, war die Saat aufgegangen, Post-Punk und New Wave hatten begonnen, den Pop zu regieren. Und Alan Vega versuchte in Folge, als Electro-Elvis seinen Underground-Ruhm in den Mainstream zu tragen, mit Alben wie „Collision Drive“, „Saturn Drive“ oder „Just A Millions Dreams“, mit jeweils mal mehr Synthies oder mehr Rock' n' Roll und Rockabilly.

Das letzte Suicide-Album war eine Reaktion auf 9/11

Sätze wie „Never Trust a Pop Idol“ oder „The celebrity is the antithesis of life itself“ standen in bester Situationisten-Manier auf dem Suicide-Comeback-Album „American Supreme“, das 2002 erschien und nicht zuletzt eine Suicide-typische Reaktion auf 9/11 war. Trauerarbeit ja, aber bloß keine Hoffnungszeichen senden. Lieber anklagen, böse sein, den Horror verlängern, mit von Vega wie üblich mehr skandierten als gesungenen Zeilen wie „And the nightmare came, and the nightmare came, and the nightmare came...“ Vega präsentierte sich in seinen späten Jahren als Anti-Popstar, als Spezialist für den amerikanischen Alptraum, der mit seiner Ehefrau Liz Lamere Untergangssymphonien in schillerndsten Farben und mit rumpeliger Elektronik produzierte. Henry Rollins, der Vegas Tod am Sonntag bekanntgab, hat die Musik von Alan Vega als „the sound of our collective future and past“ beschrieben. Wer das Suicide-Debüt kennt, weiß, was er damit meint.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false