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Kultur: US-Wahlkrimi: Zwei klagen

Angesichts des ungewissen Ausgangs der US-Präsidentschaftswahl haben die beiden Kandidaten einen Nervenkrieg begonnen: Die Sprecherin des Republikaners George W. Bush forderte den Demokraten Al Gore am Freitag auf, seine Niederlage anzuerkennen.

Angesichts des ungewissen Ausgangs der US-Präsidentschaftswahl haben die beiden Kandidaten einen Nervenkrieg begonnen: Die Sprecherin des Republikaners George W. Bush forderte den Demokraten Al Gore am Freitag auf, seine Niederlage anzuerkennen. Bush liege 327 Stimmen vor Gore, zitierte Karen Hughes das Ergebnis einer inoffiziellen Stimmenauszählung in allen 67 Wahlbezirken in Florida. Der Leiter von Gores Wahlkampagne, William Daley, entgegnete umgehend, für die Demokraten sei die Wahl noch nicht beendet. Die Demokraten behielten sich gerichtliche Schritte gegen angebliche Unregelmäßigkeiten in einigen Wahlkreisen vor. Die Republikaner zweifelten daraufhin die Ergebnisse in drei Bundesstaaten an, in denen Gore bisherigen Angaben zufolge gewann.

Das Tauziehen um die amerikanische Präsidentenwahl wird frühestens Ende kommender Woche entschieden sein. Erst dann wird das offizielle Endergebnis der äußerst knappen Wahl im Bundesstaat Florida feststehen. Klagen gegen Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe könnten die Hängepartie aber noch weiter hinausziehen. Nach inoffiziellen Berichten über die Neuzählung hat Bush die Wahl in Florida mit der hauchdünnen Mehrheit von 327 Stimmen bei knapp sechs Millionen Wählern gewonnen. Die offizielle Nachzählung wurde entgegen früheren Ankündigungen nicht bis Donnerstagabend beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten erst 53 von 67 Bezirken ihre Ergebnisse der Wahlkommission in Tallahassee gemeldet. Danach betrug der Vorsprung von Bush 1784 Stimmen - exakt die gleiche Zahl, die am Dienstagabend nach Auszählung aller Stimmen genannt worden war. Die Behörden Floridas gaben den fehlenden 14 Wahlbezirken noch bis kommenden Dienstag Zeit, ihre Ergebnisse der Neuauszählung vorzulegen. Angesichts des knappen Ausgangs müssen aber auch die Stimmen der Briefwähler im Ausland berücksichtigt werden.

Der beispiellose Kampf um das Weiße Haus wird von Beschwerden über Unregelmäßigkeiten begleitet. Die Demokraten forderten, in vier Bezirken Floridas die Stimmen per Hand nachzuzuzählen. Sie wollen außerdem ein gerichtliches Vorgehen von Wählern gegen den Ablauf im Bezirk Palm Beach unterstützen. Eine Richterin in Palm Beach ordnete für kommenden Dienstag eine Überprüfung an. Bis dahin darf der Bezirk das Ergebnis nicht offiziell weiterleiten. In Palm Beach sollen irreführende Stimmzettel dazu geführt haben, dass Tausende für den Reformparteikandidaten Pat Buchanan statt für Gore gestimmt haben. Aus dem gleichen Grund hätten 19000 Wähler ihre Stimmzettel doppelt gelocht, um ihre erste, falsche Stimmabgabe zu korrigieren. Diese führte dazu, dass die Stimmzettel für ungültig erklärt wurden.

Nach Ansicht von amerikanischen Rechtsexperten haben die von Wählern eingereichten Klagen gegen ein Teilergebnis der Wahl in Florida gute Chancen auf Erfolg. Sollten die Klagen durchkommen, müssten die Wähler von Palm Beach neu abstimmen, bevor Gore oder Bush zum neuen Präsidenten der USA gewählt werden könnte. Die Verfassung des Bundesstaates sieht eine Neuwahl vor, wenn ein Kandidat durch Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zuviel Stimmen erhalten hat. Dieser Fall ist nach Ansicht der auf das Wahl- und das Verfassungsrecht der USA spezialisierten Juristen offenbar eingetreten.

Wähler aus dem Wahlbezirk Palm Beach reichten bis Freitag mindestens zwei Klagen beim Verfassungsgericht von Florida ein, die auf diese Bestimmung zielen. Die Kläger machen eine irreführende Aufteilung des Stimmzettels dafür verantwortlich, dass tausende Stimmen statt auf Gore auf den rechtskonservativen Pat Buchanan entfielen. Die demokratische Partei kritisierte an der Wahl in Palm Beach zudem, dass 19 000 abgegebene Stimmen ungültig seien, weil Wähler ihr irrtümlicherweise für Buchanan abgegebenes Votum korrigieren wollten.

Das Wahlergebnis von Florida wird jedoch auch noch in einer anderen Hinsicht in Frage gestellt: US-Justizministerin Janet Reno sagte zu, Berichte zu prüfen, wonach farbige US-Bürger an der Stimmabgabe gehindert worden seien. Wenn ein diskriminierendes Vorgehen zu erkennen sei, habe auch ein Bundesgericht die Macht, den Fall an sich zu ziehen und Neuwahlen anzuordnen, sagte Randolph Scott McLaughlin, Leiter des Zentrums für soziale Gerechtigkeit an der Pace University im Bundesstaat New York.

Grafik: Präsidentschaftswahlen seit 1948

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