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Kultur: Varieté Wintergarten: Verpackungskünstler

Für wenige, flüchtige Momente kommt einem der beunruhigende Gedanke doch in den Sinn: Dass die Möglichkeiten der Bühne, uns Abwechslung zu verschaffen, abzählbar sind, dass der Anschein des Neuen letztlich nur Verpackung ist. Rückgrat eines jeden Varietés seit Erfindung der Zunft bleiben nun einmal die Jongleure, Balancekünstler und Saltoschläger.

Für wenige, flüchtige Momente kommt einem der beunruhigende Gedanke doch in den Sinn: Dass die Möglichkeiten der Bühne, uns Abwechslung zu verschaffen, abzählbar sind, dass der Anschein des Neuen letztlich nur Verpackung ist. Rückgrat eines jeden Varietés seit Erfindung der Zunft bleiben nun einmal die Jongleure, Balancekünstler und Saltoschläger. "Smile", das neue Programm des Wintergartens (bis 27. 5.), stellt sich dieser Erkenntnis so unverhohlen wie kaum eine der Vorgänger-Revuen. Keine seifenblasenden Gaukler unter Mondsicheln, keine croonend schwalbenschwänzigen Swingtime-Dandys, kein atmosphärisches Conference-Rahmenwerk hat Wintergarten-Hausregisseur und Roncalli-Erfinder Bernhard Paul diesmal aufgefahren, um der Nummernfolge einen poetischen Anstrich zu geben. Statt dessen Varieté im Zeichen neuer Einfachheit und alten Handwerks: Programm ist allein die Unverbindlichkeit, sagt schon der denkbar neutral gewählte Titel. Wie aus der Lostrommel gezogen folgen die Auftritte einander, nur durch ein Nummerngirl im Pippi-Langstrumpf-Look und durch vier liebenswürdig skurrile Kurzsketche der französischen Clown-Compagnie "Les Francs Glaçons" aneinandergekettelt. Tragen soll der Abend durch den Solitärglanz der Artisten. Und bis auf die etwas schal geratene Finalnummer des brasilianischen Magier-Duos Vik und Fabrini tut er es tatsächlich: Vom nobel altmeisterlichen Roger-Moore-Charme des Equilibristen-Steppers Pat Bradford über die elegischen Stimmungsbilder der Seilakrobatin "La Spina" bis zur punkig clownesken Anarcho-Keulen-Performance der Belgier Marc und Benji hat jeder Auftritt eine eigene, auch musikalisch pointierte persönliche Note, die vergessen lässt, dass alle Artisten im Grunde mit erzklassischen Zutaten arbeiten. Aber im Theater wird ja auch seit Jahrhunderten gestorben - ohne dass sich jemand beschwert.

jök

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