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Kultur: Venezianisches Finale

Ein

von Bernhard Schulz

Wie ihr Aufstieg und ihre Prachtentfaltung, so vollzieht sich der Niedergang der IndustriellenFamilie Agnelli vor aller Augen. Jahrzehnte lang galt die Automobilfirma Fiat, der Kernbesitz des Agnelli-Clans, als Schlüsselindustrie Italiens; vielleicht nicht einmal so sehr im ökonomischen Sinn wie im mentalen. Das ist nun Vergangenheit. Der Anfang 2003 verstorbene Avvocato, wie Gianni Agnelli stets genannt wurde, muss den Abstieg nicht mehr verfolgen.

Auch das Verlöschen seines kulturellen Lieblingskindes erlebt er nicht mehr. Zur Einweihung des Palazzo Grassi als Ausstellungshaus des Fiat-Konzerns im Frühjahr 1986 kam der Turiner Industrielle wie einst ein Doge per Boot vom Canal Grande her, begleitet von einem Tross von Höflingen. Die Eröffnungsausstellung präsentierte den originären italienischen Beitrag zur Kunst des 20. Jahrhunderts, den Futurismus, wie nie zuvor und nie wieder danach. Doch mittlerweile ist der Palazzo Grassi für Fiat nicht mehr als ein lästiger Kostenfaktor. Vor wenigen Tagen wurde er teilverkauft – an die Casino-Gesellschaft der Kommune Venedig. Die ist jedoch, ungeachtet ihres Zugriffs, ratlos. Man hatte sich an die prachtvollen Ausstellungen des Hauses gewöhnt, die regelmäßig Hunderttausende von Besuchern anzogen. Mit den Kosten hatte man nichts zu tun, die trug Fiat – und wie Kenner wussten, spielte Geld, über das Fiat nie sprach, keine allzu große Rolle. Auch daran zerbricht nun die Institution Palazzo Grassi. Die Lagunenstadt kann das sagenumwobene Ausgabenniveau nicht aufrecht erhalten – gleichwohl muss sie nunmehr den Grassi-Betrieb selbst bewerkstelligen. Man ahnt, dass der Palazzo nie mehr so strahlen wird wie zu Zeiten der Millionengeldern aus Turin. Verkehrte Welt: Meist wird bei der Privatisierung von Kultur deren Verflachung, wenn nicht gar Verarmung befürchtet. In Venedig hingegen richtet’s, wohl oder übel, die öffentliche Hand.

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