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Kultur: Verdrehtes

Wenn Fritz Balthaus ein Buch liest, dann richtig. Druckfehler entgehen ihm selten.

Wenn Fritz Balthaus ein Buch liest, dann richtig. Druckfehler entgehen ihm selten. Vielleicht stolpert er sogar darüber, weil er vor seinem Kunststudium eine Lehre als Buchdrucker absolvierte, und als Künstler nutzt er sein Gespür für den immateriallen Mehrwert und die Kraft, die hinter manchem Fehler stecken. So fand er im Buch von Brian O´Doherty „Inside the White Cube“ nicht nur eine wegweisende Kunsttheorie von 1976, sondern auch zwei Layout-Fehler. Nichts verheerendes: Einmal stand ein Bild auf dem Kopf, weiter hinten lag das Motiv auf der Seite. Beides hatte beim Merve-Verlag, der 1996 die deutsche Ausgabe veröffentlichte, niemand gemerkt. Balthaus nimmt nun in der Galerie Stella A (Gipsstraße 4, bis 2. Juni) die Übersetzung Seite für Seite auseinander und lässt die Bilder dem Text folgen: Wenn die Fotos richtig stehen, sind auch die Buchstaben aufrecht. Nach dem ersten Fehler werden sie auf den Kopf gestellt, nach dem zweiten liegen sie auf der Seite. Wundersamerweise wird gerade wegen dieser „Webfehler“ die Textur an der Galeriewand (3200 Euro) zum homogenen Kunstwerk. Balthaus ist ein Meister des Umdrehens, des Neuarrangierens. Zusätzlich hat er aus dem Titel der deutschen Übersetzung „In der weißen Zelle“ durch einen kleinen roten Strich „In der weißen Zeile“ gemacht. Diese limitierte Auflage steht nun in der Vitrine, schön und kompakt. Kraftvolles Rot umgürtelt den weißen Merve-Einband. Das ist an sich schon wieder ein Objekt. Die Bände (je 40 Euro) laden zum Lesen ein – es wäre ein Fehler, sie nicht zu kennen.

Auch bei Gereon Krebber wird Vorgefundenes zum Ausgangsmaterial. Doch bei ihm ist der „White Cube“ der Galerie Jarmuschek und Partner (Sophienstraße 16, bis 2. Juni) keine heilige Halle. Er hat ein Stück Galeriewand geschält und lässt nun „Wandgewürm“ (3000 Euro) auf der rohen Mauer erscheinen. Wobei der Künstler das Knetzeug für diesen Knoten in unterschiedlichen Baumärkten gekauft hat, der deshalb aus unterschiedlichen Weißtönen besteht. Was ihn viel besser macht als homogene Persilschönheit. Und was soll man von „Slice“ halten, dieser riesigen Scheibe aus Ramsch? Die Skulptur, die sich quer durch beide Galerieräume zwängt, wird diesen Ort nicht verlassen. Sie ist einfach zu groß und kein zweites Mal genau so aufzubauen. Aber für dieses eine Mal ist sie perfekt. Sie hält das Gleichgewicht und lässt ihre ganze prekäre Materialität aus Latten und Dachpappe, Teppich und Pletten vergessen, wenn man sie mit einem Finger berührt. Und sie schaukelt! Ein Meisterwerk an Balance – dort wo man Gleichgewicht überhaupt nicht erwartet. Auch die breite Schwelle vor dem Eingang der Galerie ist ein Stück von Krebber. Man sollte drauf achten, wie das Gefühl beim Drüberweggehen ist. Schwellen sind Grenzen, und darüber zu gehen, ist gar nicht so einfach. Tut aber gut.

Thea Herold

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