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Rette sich wer kann. Der Arche-Bauer Noah (Russel Crowe) mit seiner Frau (Jennifer Connelly).

© Niko Tavernise

Verlosung: Darren Aronofskys "Noah"-Verfilmung: Und Gott schickte Regen

Darren Aronofskys Bibelfilm kombiniert Religion und Spektakel. Dank Russell Crowe in der Hauptrolle versteht er den Zuschauer zu packen. Jetzt gibt es den Film als DVD und Blu-Ray - wir verlosen drei Fanpakete.

Blockbuster sind so teuer geworden, dass sie ein riesiges, weltweites Publikum brauchen, um ihr Geld wieder einzuspielen. Deshalb traut sich kaum ein Studio an etwas anderes als Comics und Fortsetzungen. Hin und wieder vielleicht auch eine Buchverfilmung. Aber ausgerechnet die Bibel? Die goldenen Zeiten der Sandalenfilme ist lange vorbei. Und was mit „Gladiator“, „Master & Commander“ oder „Robin Hood“ gelang (alle übrigens mit Russell Crowe in der Hauptrolle), nämlich das alte Kostüm-Epos noch einmal neu zu beleben, das geht mit religiösen Stoffen nicht so leicht. Die Produktion religiöser Bilder hat in der Zwischenzeit alle Unschuld verloren.

Es gehört schon ein Besessener wie Darren Aronofsky dazu, so ein Wagnis überhaupt anzugehen. Seit seinen Anfangsjahren als Filmemacher, sagt er, habe er die Sintflut auf dem Zettel; deshalb war er nun wohl auch bereit, erstmals das Recht auf „Final Cut“ abzugeben – im Austausch dafür, dass er 130 Mio. Dollar verbraten durfte. An seiner nicht sehr ausgeprägten Bereitschaft zu Kompromissen änderte das offenbar wenig.

Ein halbes Dutzend alternativer Fassungen soll das Paramount-Studio vor Testpublikum ausprobiert haben, eine davon war um 40 Minuten gekürzt und endete mit einen christlichen Rock-Song. Diese Fassungen kamen allerdings nicht besser an als das, was Aronofsky selbst abgeliefert hatte. Und so sehen wir jetzt, so behauptet zumindest der Regisseur, den Film so, wie er es wollte.

Der US-amerikanische Filmemacher („Black Swan“) verfährt mit dem biblischen Stoff so, wie es jeder gute Geschichtenerzähler mit jedem gegebenen Mythos tut: Er arbeitet das, was er für erzählenswert hält, für sein Publikum heraus - und spitzt es zu. Er musste dabei allerdings dreifach aufpassen. Christen, vor allem die bibeltreuen in den USA, darf er nicht verschrecken. Zugleich muss er anschlussfähig bleiben für spektakelhungriges Blockbuster-Publikum. Und drittens will auch die Arthouse-Gemeinde nicht vor den Kopf gestoßen werden. Das also war die Aufgabe: Ein christlicher Autorenfilm mit Blockbuster-Qualitäten.

Die Integration so verschiedener Elemente gelingt nicht ganz. Aber Aronofsky geht bewundernswert mutig zu Werke. Die Nephilim etwa, in der Bibel mal als Riesen, mal als gefallene Engel beschrieben, verwandelt er in verbitterte, humpelnde Steinriesen mit sechs Armen (gesprochen von Nick Nolte). Sie helfen beim Bau der Arche und verteidigen sie gegen die anstürmenden Menschen, als es zu regnen beginnt. Damit erklärt Aronofsky einerseits, wie ein so großes Schiff gebaut werden konnte. Andererseits gewinnt er Spielmasse für ein episches Schlachtengemälde im Stil eines modernen Fantasy-Epos. Ein US-Kritiker sprach spöttisch von Aronofskys „Lord of the Rains“.

Nein, zaghaft ist diese Bibel-Interpretation nicht. Doch bei allem Exzess: Aronofskys „Noah“ ist überraschend texttreu. Manche Dinge hat man einfach vergessen. Die Form der Arche etwa (ein lichtloser, sargähnlicher Riesenhangar). Oder jene Episode, in der Noah sich dem Alkohol hingibt. Besonders umstritten ist allerdings die wenig subtile Verknüpfung der biblischen Sintflut mit der Erderwärmung unserer Zeit. In den USA, wo der Klimawandel insbesondere bei religiösen Rechten als Humbug abgetan wird, kommt das nicht gut an: „Aronofskys Noah: ein Öko-Spinner“, schrieb ein einflussreicher christlicher Autor.

Für das Paramount-Studio aber sind fromme Christen ein wichtiges Publikum, denn sie waren es, die Mel Gibson’s „Die Passion Christi“ 2004 so erfolgreich machten (611 Millionen Dollar weltweit). Mit jedem muslimischen Land, das „Noah“ verbietet, weil der Film das Bilderverbot des Islams verletzt (Indonesien, Bahrain und die Emirate sind schon dabei), wird dieses Publikum wichtiger.

Auch als Comic komplett: Die Cover des abschließenden vierten und des ersten Bandes.
Auch als Comic komplett: Die Cover des abschließenden vierten und des ersten Bandes.

© Ehapa

Die ersten Kinozahlen aus jenen Ländern, in denen „Noah“ im Frühjahr im Kino gestartet war, fielen für Paramount ermutigend aus. Offenbar hat Aronofsky mit seiner Verbindung von ernsthafter Bibel-Adaption, Fantasy-Epos und Katastrophen-3D einen Nerv getroffen. Diejenigen, die ebenfalls auf der Bibelwelle mitreiten wollen (Ridley Scotts „Exodus“ ist schon in Vorbereitung), werden es registrieren.

Bemerkenswert ist, dass Aronofskys „Noah“ dabei kein seelenloser Blockbuster geworden ist, sondern eine durchaus eigenwillige Angelegenheit. Hier gibt es keinen sanften bärtigen Mann, der Tiere freundlich aufs Schiff eskortiert. Statt dessen die Frage: Wie ist das, wenn man als letzter Mensch die Luke schließt und draußen die Schreie der Sterbenden hört? Wann wird empfundene Bestimmung zu blindem Fundamentalismus? Aronofskys Nacherzählung der Sintflut ist die Geschichte eines Mannes, dessen Standhaftigkeit zur Obsession wird.

Anfangs zeigt sich Noahs Standhaftigkeit noch in seinem Leben als veganer Aussiedler: Er lebt, Wurzeln und Beeren pflückend, abseits der Zivilisation mit Frau (Jennifer Connelly) und drei Söhnen. Dann fangen die Träume an. Der Schöpfer spricht nicht direkt; er äußert sich in Traumbildern, die Noah zu interpretieren hat. Als es zu regnen aufhört – aus dem Katastrophenfilm ist da längst ein patriarchalisches Familiendrama geworden – spitzt sich alles zu auf die Frage: Soll es überhaupt weiterhin Menschen geben? Es ist Noahs freie Entscheidung, und er verfällt darüber fast dem Wahnsinn.

Menschen mit Obsessionen – von „Pi“ über „The Fountain“ bis zu „Black Swan“ waren sie Aronofskys Thema. Auch diesmal gelingt ihm, dank Russell Crowe, ein packender Film. Und doch ist es schade, dass der erhofften Breitenwirkung einige Opfer gebracht wurden. Vieles ist aufregend, manches flach. Es fehlen die Zwischentöne. Zu laut, zu pompös versucht der Film, die Wunder seiner Geschichte zum Ausdruck zu bringen. Wie in „The Fountain“, Aronofskys erstem Ausflug ins Überwältigungskino, suchen seine einprägsamen, grandiosen Bilder schamlos die Grenze zum Kitsch. In „Noah“ überschreiten sie diese Grenze zu oft.

Das Personal kommt kaum über Holzschnitt heraus: strenger Vater, liebende Mutter, braver Sohn, rebellischer Sohn. Und ein ruchloser Bösewicht. Was sie sagen und tun, wirkt oft so schematisch, als sollten sie nur die Geschichte voranbringen. Vor allem König Tubal-Cain (Ray Winstone) wird ganz auf die Funktion des bösen Widersachers reduziert.

Dabei ist er hier im Grunde der Repräsentant des modernen Menschen: säkularisiert, egoistisch, machtbewusst. Ein Individualist, dem das Wurzelsuchen und Beerenpflücken nicht genug ist. „Noah“ fesselt, weil Aronofsky sich nicht damit begnügt, einen Mythos über Gotteszorn zu entfesseln, sondern auch den Versuch unternimmt, daraus mit eigener Handschrift ein menschliches Drama zu gewinnen. Aber nicht nur Standhaftigkeit und Liebe sind menschlich. Der Wille ist es auch.

Verlosung: Wir verlosen drei Fanpakete unter unseren Lesern, die jeweils enthalten: Die Blu-ray „Noah“, ein Notizbuch, einen Regenschirm und ein Exemplar des Comics zum Film. Wer ein Paket gewinnen will, sende uns bitte bis 6. September eine E-Mail an comics@tagesspiegel.de mit der Betreffzeile "Noah", Name und Anschrift nicht vergessen. Die Gewinner werden per Post benachrichtigt.

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