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Kultur: Verlust der Mitte

Nieblichs "Imaginäre Bibliothek" in der StaatsbibliothekVON ELFI KREISBücher bilden.Wolfgang Nieblich gewinnt ihnen dabei ungewöhnliche Seiten ab.

Nieblichs "Imaginäre Bibliothek" in der StaatsbibliothekVON ELFI KREISBücher bilden.Wolfgang Nieblich gewinnt ihnen dabei ungewöhnliche Seiten ab.Buchkunst bedeutet für ihn zugleich Bildende Kunst.Seit 1982 verwendet der Berliner den Lesestoff variationsreich als Ausgangsmaterial für Objekte, Materialbilder und Installationen.Die Staatsbibliothek Unter den Linden ist eine schwere, steinerne Festung des Geistes von einschüchternden Proportionen.Wer lesehungrig und von Wissensdurst getrieben die Freitreppe in dem kolossalen Bildungstempel des wilhelminischen Preußen hinaufeilt, schenkt der Architektur ringsum selten Beachtung.Ein zufälliger Blick nach rechts und links, hinauf zu den Fenstern: Nieblich sorgt kaum merklich für Irritationen.Um die perfekte Illusion seiner Bildkulisse mit Fenstergittern aus Buchrücken, Buchdeckeln und Farbe zu erkennen, muß man schon genau hinsehen.Noch dezenter sind die zarten Andeutungen von Fußspuren, mit denen er den Weg zum Kernstück seiner mehrteiligen Installation weist.Ein großer, achteckiger, von einer imposanten Kuppel überwölbter Lesesaal war einst architektonischer Mittelpunkt der Preußischen Staatsbibliothek.Er wurde im Krieg zerstört.Der ehemalige Zugang ist noch in einem heute vermauerten Torbogen zu erkennen.Nieblich markiert ihn mit buchdeckelbestückten "Leitplanken" in der Art provisorischer Absperrungen.Ein großer Bodenkreis sorgsam geschichteter Buchdeckel und Glas zitiert die Form der Rotunde.Mit viel Fingerspitzengefühl für den sinnlichen Reiz von Farbe, Form, Oberfläche seiner Fundstücke montiert und arrangiert er sie neu.Handverlesen sind die antiquarischen Makulatur-Einbände.Die vergilbten Farbtöne der marmorierten Buchdeckel korrespondieren mit den Marmorintarsien der Schmuckarchitektur.Verletzt und verletzlich wirkt diese schwebende Insel inhaltsleerer Hüllen: ein unprätentiöses Denkmal für den entschwundenen Wissensfundus, der zugleich die architektonische Erinnerung an das Gestern mit dem Heute verbindet.Fenster, Deckenleuchten malen konstruktive Lichtreflexe auf die Glasscheiben, unterstreichen die subtile Poesie der "Imaginären Bibliothek".Zudem zeigt die Galerie Horst Dietrich weitere Arbeiten.Dort bekennt Nieblich Farbe besonderer Art.Seine seriellen "Farbfelder" übermalter Buchfragmente folgen dem Verlauf der Spektralfarben von Goethes Farbkreis. Staatsbibliothek Unter den Linden 8, bis 30.Mai, Montag bis Freitag 9 - 21 Uhr, Sonnabend 9 - 17 Uhr.Katalog 16 DM.Galerie Horst Dietrich, Giesebrechtstr.19, bis 19.Juni, Mittwoch bis Freitag 13 - 19 Uhr, Sonnabend 11 - 13 Uhr.Katalog 30 DM.

ELFI KREIS

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