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Die kunterbunten Stoffcollagen des Australiers Paul Yore sind oft nicht jugendfrei. Hier eine harmlose Variante.

© Arndt Art Agency

Australische Kunst im A3-Showroom: Verrückte Liebe

Down Under in Charlottenburg: Australische Künstlerinnen und Künstler zeigen im Showroom der Arndt Art Agency extrovertierte Kunst fernab von Klischees.

Ah, ein Känguruh! Das ins Gästebuch gezeichnete Beuteltier, das laut Sprechblase „Yeah“ ruft, steigert die Klischeerate der Ausstellung im Showroom von A3 (Arndt Art Agency) enorm. Denn mit Australien-Stereotypen haben es die Künstler aus dem sechsgrößten Staat der Erde nicht so. Das ist schon mal gut.

Wo auf einem Bild dann doch ein Koalabär auftaucht, wird der plüschige Geselle gleich zum Fellatio gezwungen. Neben der sodomitischen Szene auf einer Stoffcollage von Paul Yore ist die Zeile "Fuck Nature" eingenäht. Schrift, Genitalien und die heimische Tierwelt tummeln sich auf Yores Patchworks. Acht dieser bunten, bösen Stoffcollagen sind in der Gruppenschau zu sehen.

Insgesamt werden in Charlottenburg neun Positionen vorgestellt. Das Einzugsgebiet ist kleiner als gedacht, denn die Künstlerinnen und Künstler sind entweder in Sydney oder Melbourne zuhause.

Matthias Arndt zieht von Singapur aus die Strippen

„Mad Love“, kuratiert von der Künstlerin Del Kathryn Barton aus Sydney, wird von der australischen Regierung im Rahmen der deutschlandweiten Initiative „Australia Now 2017“ unterstützt. Handelt es sich auch um eine Verkaufsausstellung? Das A3-Team stellt, wie es etwas verdruckst heißt, gerne den Kontakt zu einzelnen Künstlern her. Vor drei Jahren hat Matthias Arndt, der Mann hinter der Agentur A3, seine Galerientätigkeit in Berlin (Arndt & Partner) beendet. Inzwischen zieht er von Singapur aus als globaler Kunstdealer die Strippen.

Die neun Künstler leben in den großen australischen Städten. Am bekanntesten ist Patricia Piccinini, deren hyperrealistische Silikonskulptur „Eulogy“ (2011) gleich der erste Hingucker im Eingangsbereich ist: Da kniet ein Mann auf dem Boden und hält einen Blobfisch in den Händen. Wie ein trauriger Clown wirkt das Wesen, das tatsächlich in den Tiefen des Pazifik existiert.

Mann mit Blobfisch. Die hyperrealistische Silikonskulptur „Eulogy“ von Patricia Piccinini.

© Arndt Art Agency

Grimassierende Clownsmasken hat der Künstler Dale Frank als großflächige Assemblage arrangiert („Nigel“, 2016), daneben ein ähnliches Werk aus Tiermasken („Colin“, 2016). Von dem auf Sri-Lanka geborenen Bildhauer Ramesh Mario Nithiyendran stammen starkfarbig glasierte Keramikfiguren und -köpfe von brutaler Ausstrahlung. Pat Brassington fokussiert in ihren foto-basierten Drucken auf menschliche Gliedmaßen und Körperzonen. Und auch die gestischen Großformate der 2015 verstorbenen Malerin Sally Gabori, wie die zwischen Abstraktion und Figuration lavierenden Gemälde von Ben Quilty, entsprechen dem Thema der Ausstellung: Körper.

Australische Künstler haben größere Auftritte in Berlin verdient

In Europa mag man mit den Schultern zucken, doch die eher prüde australische Mentalität tut sich mit dem Sujet schwer. Politische Provokationen steckt man down under generell besser weg als Nacktheit und Erotik. So extrovertiert die Ausstellung daherkommt: Die in Berlin vertretenen Künstler bilden die Ausnahme vom eher zugeknöpften Regelfall.

Ob mit indigenen Wurzeln oder nicht: Künstler aus Australien haben größere Auftritte in Berlin verdient, gerne auch einmal im Museum. „Mad Love“ weckt Neugier, aus der Liebe werden könnte. Die Appetizer-Schau bei A3 (Fasanenstr. 28., bis 29. September) ist ein entschiedenes Yeah wert.

Jens Hinrichsen

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