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Kultur: Verrücktes Blut, verwegene Brut Theatertreffen 2011:

voller Überraschungen

Eines kann man der Kritikerjury, die jetzt für das Berliner Theatertreffen vom 6. bis 22. Mai die zehn „bemerkenswertesten“ Inszenierungen gewählt hat, diesmal nicht vorwerfen: dass es keine Überraschungen gibt. Trotzdem kommt nicht jede Nominierung ganz unerwartet. Dass Nurkan Erpulats Theaterhit „Verrücktes Blut“ vom Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße dabei sein würde, dieser spielwitzige ultimative Kommentar zur Sarrazindebatte, war wohl klar. Die zweite Einladung für die freie Szene wirkt schon unverhoffter: Die Berliner Performerinnen She She Pop sind mit ihrem „Testament“ vertreten, das in Berlin, koproduziert mit der Hamburger Kampnagelfabrik, am HAU lief. Auf der Folie von Shakespeares „King Lear“ stellen She She Pop dabei die eigenen Väter auf die Bühne.

Unter 319 gesichteten Inszenierungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat die siebenköpfige Jury ausgewählt, 36 Aufführungen wurden näher diskutiert. Ein Novum in diesem Jahr: Die Kritiker stellten ihre „einigermaßen harmonisch“ gefällten Entscheidungen (Juror Wolfgang Höbel) auf einer Pressekonferenz im Haus der Berliner Festspiele vor und begründeten sie mehr oder weniger prägnant. In die eigentliche Debatte aber kann man sowieso erst während des Theatertreffens im Mai einsteigen. Über den gleich zweifachen Theatertreffen-Debütanten Herbert Fritsch etwa, vormals ein furioser Volksbühnen-Schauspieler, der mit seinen Regiearbeiten „Der Biberpelz“ nach Gerhart Hauptmann (Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin) und mit Ibsens „Nora“ vom Theater Oberhausen eingeladen ist. Oder über die Dresdner Schiller-Bearbeitung „Don Carlos“ von Roger Vontobel, auch er zum ersten Mal eingeladen: mit Burghart Klaußner als König Philipp.

Auffallend wenige große Namen von Schauspielern und Regisseuren in diesem Jahr, auch Bühnen wie das Deutsche Theater Berlin, das Thalia in Hamburg oder die beiden Münchner Häuser fehlen. Wiens Burgtheater reist mit der Uraufführung von Kathrin Rögglas „Die Beteiligten“, einem Sprechstück über den Fall Natascha Kampusch, in der Regie von Stefan Bachmann an. Aus Zürich kommt Stefan Puchers Version von Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“. Das Schauspiel Köln, im Vorjahr dreifach eingeladen, ist zweimal vertreten: mit Karin Henkels Tschechow-Inszenierung des „Kirschgarten“ sowie dem monumentalen Jelinek-Triptychon „Das Werk / Im Bus / Ein Sturz“ in der Regie von Intendantin Karin Beier. Und als Hommage: die letzte Theater-Arbeit von Christoph Schlingensief, „Via Intolleranza II“, eine internationale Festival-Produktion. Patrick Wildermann

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