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Kultur: Versuch, das Endspiel zu verstehen

Peter Laudenbach über Adorno und den Fußball auf der Beckett-Bühne Auch Theodor Wiesengrund Adorno hat die Fußballweltmeisterschaft beobachtet und unternimmt einem „Versuch, das Endspiel zu verstehen“. Wie immer verblüfft seine tiefsinnige Spielanalyse.

Peter Laudenbach über Adorno und den Fußball auf der Beckett-Bühne

Auch Theodor Wiesengrund Adorno hat die Fußballweltmeisterschaft beobachtet und unternimmt einem „Versuch, das Endspiel zu verstehen“. Wie immer verblüfft seine tiefsinnige Spielanalyse. Nicht ohne Bitterkeit konstatiert Adorno die „organisierte Sinnlosigkeit“ des Turniers. Adorno weiter: „Solche Konstruktion des Sinnlosen hält auch nicht inne vor den sprachlichen Molekülen.“ Das können wir verstehen: Die Kommentatoren waren auch nicht besser als die Spiele.

Angesichts des spielerischen Niveaus vieler Mannschaften, der Kommerzialisierung des Spiels und des frühen Ausscheidens großer Künstler aus Frankreich und Portugal verdüstert sich der Blick des Philosophen: „Die Menschheit vegetiert kriechend fort nach Vorgängen, welche eigentlich auch die Überlebenden nicht überleben können, auf einem Trümmerhaufen, dem es noch die Selbstbesinnung auf die eigene Zerschlagenheit verschlagen hat.“ Diesem trostlosen Befund fügt sich der Fußballanalytiker mit Resignation: „Die Interpretation des Endspiels kann darum nicht der Schimäre nachjagen, seinen Sinn philosophisch vermittelt auszusprechen. Es verstehen kann nichts anderes heißen, als seine Unverständlichkeit verstehen, konkret den Sinnzusammenhang dessen konstruieren, dass es keinen hat.“

Konstruiert wird der Sinnlosigkeitszusammenhang mit den Worten eines großen, wenn auch ins Scheitern verliebten und schwer depressiven Torwarts, eines gewissen Hamm aus dem Bühnenpersonal der klassischen Modernre, den Adorno zitiert: „Peng! Das saß.“ Von den Schwierigkeiten des Torwarts Hamm, in der Halbzeitpause eine günstige Position mit Hilfe seines Trainers, Herrn Clov, zu finden, zeugt außerdem ein Dialog der beiden Unglücklichen, den Adorno zitiert:

Clov: „Wir haben die Runde noch nicht beendet.“ Hamm: „Zurück an meinen Platz. Ist das hier mein Platz?“ Clov: „Ja, dein Platz ist hier?“ Hamm: „Stehe ich genau in der Mitte?“ Clov: „Ich werde nachmessen.“ Hamm: „Ungefähr! Ungefähr!“ Clov: „Da.“ Hamm: „Stehe ich ungefährin der Mitte?“ Clov: „Es scheint mir so.“ Hamm: „Es scheint Dir so! Stell mich genau in die Mitte!“ Clov: „Ich hole den Zollstock.“

Offenbar pflegen Hamm und Clov einen anderen Stil als Oliver Kahn und Sepp Maier. Vermutlich liegt das daran, dass sie im Gegensatz zum deutschen Torwart von Samuel Beckett stammen. Sepp Maier kommt eher aus einem Schwank von Franz Xaver Kroetz und bei Oliver Kahn dürfte es sich um dieHauptfigur aus einem Godzilla-Film handeln, den Fassbinder irgendwann unter anderem n gedreht hat.

In der nächsten Saison wird Oliver Kahn übrigens in der Berliner Volksbühnen-Arena spielen (wenn es sie dann noch gibt). Und wenn früher die Extremsportler des 1.FC Castorf den Kartoffelsalat und die Bananenschalen für ihre Slapstickeinlagen selbst mitbringen und auf der Bühne verteilen mussten, lässt das Neuengagement hoffen, dass auch am Rosa-Luxemburg-Platz die Zuschauer an eine alte King-Kahn-Tradition anknüpfen und dem genialen Primaten (und was anderes sind die großen Volksbühnen-Schauspielkünstler?) Bananen vor die Füße werfen. Was an der Volksbühne neben der Polemik gegen den Evolutionsprozess (in neunzig Minuten vom zivilisationsgeschädigten Menschen zum reflexsicheren Gorilla und zurück) nebenbei noch einen hübschen Ost-West-Kommentar transportiert. Peng! Das saß.

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