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Kultur: Verträumst du deine Tage - Karge, hinterlistige Prosa von Jan Peter Bremer

"Wie wohl ist dem, der dann und wann sich etwas Schönes dichten kann!" Hoffnungsfroh beginnt Wilhelm Busch sein Standardwerk zum Thema "Verhinderte Dichter": Wie "Balduin Bählamm" möchte auch Stefan, der Held in Jan Peter Bremers Roman "Feuersalamander", zum Dichter werden, wird aber wie sein legendärer Vorgänger nur zum verhinderten.

"Wie wohl ist dem, der dann und wann sich etwas Schönes dichten kann!" Hoffnungsfroh beginnt Wilhelm Busch sein Standardwerk zum Thema "Verhinderte Dichter": Wie "Balduin Bählamm" möchte auch Stefan, der Held in Jan Peter Bremers Roman "Feuersalamander", zum Dichter werden, wird aber wie sein legendärer Vorgänger nur zum verhinderten. Allerdings stehen seinem Erfolg keine poesiefeindlichen Ziegen oder Landbewohner im Weg, sondern er selbst.

Wie Bählamm verlässt auch Stefan Frau und Kind und zieht aufs Land, in der festen Erwartung, dort würden sich die rechten Sätze schon einstellen: "Nichts kann dich hier ablenken. Dann wird dich nichts mehr halten, dann gibt es nur noch deine Figur, und nur deiner Figur wird dein Blick folgen". Doch auch in der abgeschiedenen Idylle der Kleinstadt in den Bergen, von Stefan als "Ort, wo du Unerwartetes vollbringst" überhöht, trifft er wie daheim nur auf Hindernisse und kehrt am Ende unverrichteter Dinge nach Hause zurück. Hier sind die Gemeinsamkeiten mit Busch erschöpft. Wie schon in seinem hochgelobten Roman "Der Fürst spricht" erzählt Bremer eine rätselhafte, sperrige Geschichte. Erneut ist sein Held ein Schwieriger, ein leicht Irritierbarer, dem es nie gelingen will, "mir Wichtiges vor etwas mir Unwichtigem zu schützen". Das Wichtige ist ein hoher Anspruch: Nicht nur "was Schönes" will er schreiben, sein Plan zielt aufs Wesentliche: "Ich hatte nur eine Idee, ein Mensch", beginnen seine manischen Konfessionen. Kurz nach seiner Ankunft beginnt das Drama in einem Café, in dem Stefan seine Arbeit aufnehmen will. Er beginnt, als Lockerungsübung sozusagen, mit Ansichtskarten an einen Freund. Doch über die Anrede "Mein Freund" kommen die Etuden nicht hinaus. Der Autor in spe wird abgelenkt durch den schroffen Kellner und einen Betrunkenen, der sich zu ihm gesellt. Die ersehnte Ruhe, die ihm daheim Frau und Kind raubten, lässt er sich nun durch seine dubiosen Gesellschafter und jede Menge Alkohol nehmen. Zwischen Ablehnung und Anbiederung gegenüber seinen Gesprächspartnern hin- und herschwankend, zwischen größenwahnsinniger Selbststilisierung und larmoyanter Selbstkritik ("ganz egal, wo du bist, verträumst du deine Tage. Verirrt sich dann tatsächlich mal eine Idee zu dir, winkst du ihr nur müde zu") kommt er nicht zum Wesentlichen.

Kellner und Streuner symbolisieren die Pole der Wirklichkeit, die der Dichter nicht anerkennen will. "Ich weiß nicht, ob das nützlich ist", zweifelt der Betrunkene, als ihm der Dichter seine Pläne offenbart. Ausgerechnet diese gescheiterte Existenz, die für den Kellner nur "ein hoffnungsloser Trinker" ist, wählt der Dichter Stefan als obskures Objekt seiner fixen Idee: "So also sieht der Mensch aus, den du die ganze Zeit gesucht hast". Der seinem Glück im Weg steht, ist Stefan selbst, ein labiler Träumer, getrieben von der Sehnsucht nach Einzigartigkeit und künstlerischer Größe, die ihm die Bewunderung der Menschen einbringen soll, die "sich an den Rand deines Weges knien, und wenn du sie anschaust, so wird es sein, als entspringt ihr Leben deinem Blick." Krass ist die Fallhöhe zwischen dem genialischen Lebensentwurf und der realen künstlerischen Impotenz und Einsamkeit: der Freund, an den er schreiben will, existiert nicht. Zudem macht sich der lebensunfähige Stefan durch peinliche Aussetzer lächerlich: Als ihn der Kellner, Inkarnation einfacher Normalität, mit nach Hause nimmt, wird der Aufenthalt zum Fiasko. Betrunken und eingeschüchtert blamiert sich Stefan und wird zur Selbsterkenntnis gezwungen.

Die Idee vom idealen Mensch wandelt sich zur ernüchternden Einsicht, "dass wir alle unglückliche Affen" sind. Bremers kleiner Roman ist eine satirische Studie der Heroisierung des Schöpfers und des profanen Scheiterns im Alltag. Zugleich realisiert er die von seinem Helden vergeblich verfolgte Idee, indem er ein Gleichnis von der Vanitas menschlichen Lebens schildert, das sich nach Dauer und Sinn sehnt, nach Unschuld und Wahrheit, den beiden Zentralbegriffen des Textes. Bei aller Lächerlichkeit des sprach- und handlungsunfähigen Helden: In seiner Tragik und seinem Stolz spricht auch in Bremers neuem, wiederum einzigartigen Buch erneut ein Fürst: "Du bist verrückt, aber es ist großartig, daß du so verrückt bist." Die karge, hinterlistige Prosa Bremers, seine träumenden, gebrochenen Narrenfiguren, haben dem Autor nicht ganz zu Unrecht den gern bemühten Vergleich mit Kafka und Robert Walser eingehandelt. Dabei sollte sich Bremers Prosa inzwischen selbst Maßstab genug sein.Jan Peter Bremer: Feuersalamander. Roman. Berlin Verlag, Berlin 2000, 112 Seiten, 28 DM.

Thomas Schäfer

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