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Kultur: Vielfalt erlaubt

Emmanuel Pahud über Musik am Preußenhof.

Herr Pahud, Sie teilen mit Friedrich dem Großen die Leidenschaft für dasselbe Instrument. Wie wurde die Flöte königlich?

Friedrich erlebt die goldene Zeit des Flötenspiels. Die Flöte etabliert sich als ein sangliches, freies Instrument, mit dem man Töne sicher trifft. Bach schreibt für sie, Händel und Mozart, zu dessen Lebensende die Klarinette aufkommt, die dann lange dominieren wird. Der junge Friedrich hörte Quantz spielen – und wollte Flöte lernen. Als Kind hatte ich ein ähnliches Erlebnis. Nachdem ich mit meinen Eltern nach Rom gezogen war, hörte ich eine Nachbarin Flöte spielen. Instinktiv habe ich mitgesungen und wusste: Ich will Mozart, will Flöte spielen. Für mich ist das Flötenspiel eine Verlängerung des Atems, ein widerstandsloser Übergang zwischen mir und der Außenwelt, die natürlichste Art, Musik zu machen. Vielleicht erlebte das Friedrich genauso.

Der Flötenkönig war ein Mann voller Widersprüche. Sie haben Werke, die an seinem Hof entstanden sind, eingespielt. Welches Musikverständnis spricht aus ihnen?

Ich finde bemerkenswert vielfältig, was dort entstanden ist. Friedrich hat die führenden Köpfe zusammengerufen und so innerhalb kürzester Zeit einen der prachtvollsten Höfe Europas geschaffen. Diese Kräfte zu bündeln und für sich zu nutzen, ist eine große Leistung. Carl Philipp Emanuel Bach, der lange in seinen Diensten stand, war ihm wohl etwas zu individuell und hat ihn an sein eigenes schwieriges Verhältnis zum Vater erinnert. Aber ich glaube nicht, dass Friedrich einschränkend gewirkt hat. Wenn er sich zerstritten hat, stellte er die Leute frei. Ansonsten hat er seine Musiker sehr gut, aber auch sehr unterschiedlich bezahlt. Ich sehe ihn als jemanden, der sich auf Augenhöhe mit Spezialisten unterhalten wollte, so wie Karajan sich über schnelle Autos, Akustik oder Aufnahmetechnik austauschte – einer, der neugierig ist und fähig, sich zu interessieren.

Friedrich hat auch selbst komponiert. Was hören Sie, wenn Sie seine Musik spielen?

In den langsamen Sätzen reißt mitunter etwas auf, wie ein stiller Schrei. Ich glaube, das hat mit den dramatischen Erlebnissen in Friedrichs Jugend zu tun, als er nicht musizieren durfte, im Gefängnis saß und dem Todesurteil gegen seinen Freund beiwohnen musste. So etwas zerstört einen Menschen – oder er findet die Kraft, es zu transzendieren und dann als König einen neuen Weg zu gehen.

Arte zeigt Ihr Konzert aus dem Potsdamer Schlosstheater (siehe Infokasten). Hat Friedrich selbst dort auch musiziert?

Der König hat am liebsten im kleinen Kreis gespielt, in seinem Musikzimmer und seinem Salon. Ich habe selbst dort probiert. Es ist sehr intim, man kann sehr differenziert artikulieren. Umgeben haben ihn Musiker, die alle auch komponierten. Jeder sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen, dass die Musik lebendig bleibt. Man kann zwischen Quantz und Friedrich Parallelen finden, während bei Carl Philipp Emanuel Bach und Benda schon das Vorrevolutionäre anklingt. Für mich führt eine Linie von hier zu Beethoven. Dieses Nebeneinander ist das Verdienst Friedrichs des Großen, nicht nur in der Musik.

Das Gespräch führte Ulrich Amling.

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