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Kultur: Visionen in 3-D

Norman Foster spricht über Kinoarchitektur

Norman Foster hat sie noch erlebt, die „Goldene Ära des Kinos“. Der Architekt der Reichstagskuppel besuchte als Kind die großen Filmpaläste der Zwanziger und Dreißiger. Kino, das wird in Fosters Vortrag am Sonntag in der Neuen Nationalgalerie deutlich, war nie nur ein Film, den man sah. Es war auch ein Raum, den man betrat. Ein öffentlicher Ort, an dem kollektiv geträumt wurde – und in dem die Räume der Zukunft entworfen wurden, wie in „Metropolis“, der die Megacities vorwegnahm.

Um „Die Zukunft des Kinos“ soll es bei den Berlinale Keynotes gehen, mit einem hochkarätig besetzten Podium und prominenten Zuhörern aus Politik, Architektur und Film. Die Frage der Architektur wird bald zu einer politischen: Wie steht es um das soziale Potenzial des Kinos? Zunächst lenkt Norman Foster jedoch den Blick in die Vergangenheit, auf Erich Mendelssohns Woga-Komplex, von dem die Schaubühne geblieben ist, und Hans Poelzigs Großes Schauspielhaus. Das Aufkommen der Autokinos in den Fünfzigern, so der Architekt, habe den Niedergang der Kinoarchitektur eingeläutet. Heute seien die großen Häuser von einst in kafkaesken Raumlabyrinthen zu einer schlechten Parodie ihrer selbst verkommen.

In dieser Einschätzung sind sich alle Redner einig: Die anonyme, durchfunktionalisierte Multiplex-Architektur verdrängt nicht nur die kleinen Programmkinos, sondern überhaupt das Kino als Ort öffentlichen Lebens und politischer Meinungsbildung. Dabei bewies die bestens besuchte Vorführung der restaurierten „Metropolis“-Fassung am Brandenburger Tor bei minus zehn Grad das Bedürfnis nach geteilten Erfahrungen.

„Der öffentliche Raum ist im Kino wichtiger als der Vorführsaal“, erklärt Wolf D. Prix vom Büro Coop Himmelblau, das mit dem Ufa-Kristallpalast in Dresden und dem künftigen Festspielhaus im südkoreanischen Butan glamouröse Kinoikonen geschaffen hat. Sein Entwurf einer Kunststadt für Disney, in der die Architektur gleich ganz den Film ersetzt, erklimmt allerdings den Gipfel architektonischer Selbstverliebtheit.

Eindrücklich beschreibt dagegen der französische Regisseur und Unternehmer Marin Karmitz, wie er seit vierzig Jahren Stadtteilpolitik mit Programmkinos betreibt. Hervorgegangen aus der 68er-Gegenkultur, boten seine Häuser von Anfang an Foren für politische Debatten. Inzwischen betreibt seine Kette MK 2 58 Kinos und erreicht fast fünf Millionen Besucher im Jahr. Mit angeschlossenen Buchläden, Konzertübertragungen, Vorträgen und kostenlosen Shuttles wurden Pariser Problemviertel neu belebt. Das Kino als urbaner Katalysator, in dem 2-D und 3-D, Kunst, Tanz, Theater und Musik nebeneinander statt finden, ist die stärkste Vision dieses Nachmittags. Wie sich allerdings Erzählformen verändern, wenn Kino auf Häuserwänden und im Flughafen stattfindet, wie Foster es sich wünscht, ob der Clip das Epische ablöst, steht auf einem anderen Blatt. Kolja Reichert

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