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Ein China-Wintermärchen: Der Film "Yejiang/The Nightman Cometh Nr. 5" (2011) von Yang Fudong erzählt eine surreale Geschichte im Stil der Nouvelle Vague.

© Daimler Art Collection

Daimler Art Collection: Von Schwaben und Chinesen

Strategisch sammeln: Die Daimler Collection öffnet sich der Kunst des Ostens. Zu den alten süddeutschen Künstlern gesellen sich nun Xu, Guan, Li und Yang.

Jede Haltung hat ihren Grund, genau wie die Kunst von Xu Zhen. 2010 gründete der chinesische Künstler die Firma Made-In-Company als ironischen Reflex auf das Etikett „Made in ...“, das bei fernöstlichen Produkten lange als negatives Qualitätsmerkmal galt. Doch das stimmt längst nicht mehr. Und auch bei der Daimler Art Collection am Potsdamer Platz scheint die Welt auf den Kopf gestellt: Wo sonst überwiegend Konzeptkunst westlicher Prägung hing, kommen nun die meisten Werke aus China.

Kunst und Kommerz: bei Daimler kein Widerspruch

„From a Poem to the Sunset“ heißt die Schau, die Neuerwerbungen vorstellt. Darunter befindet sich eine Arbeit von Xu Zhen, der Körperhaltungen aus diversen Kulturen und Epochen in kleinen, fotokopierten Abbildungen sammelt, um sie bühnenhaft zu arrangieren. Viele dieser vorwiegend meditativen Handlungen finden sich auch in Xus zweiter Arbeit – einem Video mit Übungen und zwei Matten auf dem Boden davor. Wer seine Schuhe auszieht, darf im Ausstellungsraum testen, ob und wie sich die Haltung der Hände, Finger, Füße auf den Geist auswirkt.

Xu Zhen (Jahrgang 1977) sucht mit seiner Made-In-Company eine Möglichkeit künstlerischer Distribution jenseits der Galerien und Messen. Ein konzeptueller Ansatz, der auf den zweiten Blick dann doch zur Daimler Collection passt. Hier interessierte man sich zunächst für jene künstlerischen Strömungen, die einst wichtig für Stuttgart waren als Stammsitz der Firma. Vor knapp 40 Jahren wurde die Sammlung mit dem Ankauf eines abstrakt-konstruktivistischen Gemäldes von Willi Baumeister begründet. Dann kam Hard-Edge-Malerei hinzu, wie sie Georg Karl Pfahler pflegte, später minimalistische Kunst.

Seit 2001 folgten sukzessive Arbeiten von Künstlern aus Südafrika, Indien oder Asien, mithin Länder, in denen Daimler/Mercedes-Benz präsent ist. Sammlungsleiterin Renate Wiehager bekennt mit entwaffnender Offenheit, dass sich das Unternehmen die neuen, lukrativen Märkte auch durch diesen kulturellen Transfer erschließen will: „China ist für Daimler ein wichtiger Markt. Rund zehn Prozent des Konzernumsatzes werden in China erwirtschaftet.“

Kombinationen unterschiedlichster Stile und Künstler funktionieren verblüffend gut

Entsprechend hat der Autohersteller seine Sammlung neu ausgerichtet. Seit 2003 ist Renate Wiehager mehrfach nach China gereist und hat dort neue Werke erworben. Inzwischen umfasst dieser Komplex rund vierzig Arbeiten und bildet eine eigene Abteilung innerhalb der Sammlung, die mit „From a Poem to the Sunset“ als Auftakt einer Ausstellungsreihe vorgestellt werden soll.

Zugleich sollen sich die Neuzugänge einfügen in das große Ganze der Daimler Collection. Die Kunst von Guan Xiao, Li Ran oder Yang Fudong wird mit westlichen Positionen kombiniert, Arbeiten etwa der 39-jährigen Neusserin Natalie Czech oder des Dresdner Urgesteins Hans Uhlig. Dessen gestische, getuschte Körperbilder werden den Kalligrafien Qui Zhijes gegenübergestellt, der rückwärtsschreibt und sich in seinen Gedichten kritisch mit Reformen seines Landes auseinandersetzt. Zwei Arbeiten von Sibylla Dumke, die ebenfalls Tusche verwendet und einen Ast schwarz eingefärbt hat, ergänzen die Komposition. Die Verbindung funktioniert verblüffend gut, auch ohne direkte Bezüge, eher intuitiv. Perfekt fügt sich die schlichte geometrische Installation von Lee Kit in die Sammlung, die vor zwei Jahren auf der Biennale von Venedig zu sehen war. „You“, so ihr Titel, bestand aus sieben Sets, die zusammen das Mobiliar eines für Hongkong typischen Wohnraums ergaben. Daimler besitzt Spüle, Kühlschrank, zwei nahezu monochrome Bilder und Becher – ein wahrhaft minimales Arrangement,

Ein global operierendes Unternehmen mit global adaptierter Kunst

Im Bereich Video geht der Plan allerdings nicht auf. Hier trifft Philippe Parreno auf den Schwarz-Weiß-Film „Yeijang/The Nightman Cometh“ (2011) von Yang Fudong. Yang, der auch schon für Prada produziert hat, zählt zu den prominentesten Künstlern der Schau. Seine Werke sind effektvoll, hyperästhetisch, voll schöner Frauen, Kunstschnee und entschlossener Kämpfer. 2002 hat ihn Okwui Enwezor auf der Documenta gezeigt. Ein Konzeptkünstler aber ist er deshalb noch lange nicht. Yangs Einbettung wirkt bemüht, sie bezeugt die erzwungene Öffnung der bislang klar konturierten Sammlung, nur weil das global aufgestellte Unternehmen diese Offenheit auch in seiner Sammlung gespiegelt wissen will.

Trotzdem hat es seinen Reiz, neue Wege zu gehen und sich überraschen zu lassen. Zumal wenn die titelgebende Arbeit „Sunset“ mit ihrer glänzenden Folie und den Autofelgen eher einem Künstler wie Anselm Reyle zuzuordnen wäre. Dabei stammt die kitschig-künstliche Installation von der in Peking lebenden Guan Xiao und bildet den Gegenpol zu Xu Zhens meditativen Methoden.

Daimler Art Collection, Haus Huth, Potsdamer Platz, bis 30. 8., tgl. 11–18 Uhr

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