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Regielegende. Der spanische Filmemacher Pedro Almodóvar.

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Vor den Filmfestspielen von Cannes: Lob der Lampenfieberlüge

Ein Leben ohne Goldene Palme? Der spanische Filmemacher Pedro Almodóvar, demnächst zum siebenten Mal im Wettbewerb von Cannes, hat damit kein Problem. Sagt er.

Eine der unweigerlichen und fraglos schönen Begleiterscheinungen des eher ambivalenten Älterwerdens ist das Einsickern einer gewissen Gelassenheit. Da mag man sich als noch so großer Hitzkopf durch die hochelektrischen Lebensphasen gekämpft haben – irgendwann wird es Zeit für Abendkühle, eine wohltemperierte, versteht sich.

Insofern tönt es höchst souverän, wenn der 66-jährige, größte lebende spanische Filmregisseur Pedro Almodóvar kurz vorm Start des Filmfests von Cannes der Nachrichtenagentur AFP zu Protokoll gibt, man könne „gut überleben, ohne die Goldene Palme zu haben“. Andererseits hat das Bekenntnis alle Chancen, als feinste Lampenfieberlüge in die Geschichte der Weltkünstlerverlautbarungen einzugehen. Überleben? Gewiss, das gehört sich so. Gut überleben? Nunja, ein bisschen sedierende Weisheitsmittelchen braucht es dafür schon. Aber freiwillig ohne Goldene Palme? Niemals!

Begehrte Trophäe. Die Goldene Palme

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Von dieser cineastischen Gipfeltrophäe, hinter der sogar der Oscar zurückbleibt, träumt jeder innovative Filmemacher – und schafft er es tatsächlich in den Kreis der rund 20 Kandidaten hinein, sogar aus schönstem Grund. Pedro Almodóvar zählt, mit „Julieta“, nun schon zum siebenten Mal zu den Aspiranten, und die Festivalmacher haben ihn sogar eingeladen, obwohl sein Film dort – seltene Ausnahme – nicht seine Weltpremiere feiert, sondern in Spanien bereits in den Kinos läuft. Dass die Geschichte um eine unglückliche Mutter, die den Kontakt zu ihrer Tochter verloren hat, zudem in der Heimat nicht gleich an die Chartsspitze gestürmt ist wie sonst jeder neue Almodóvar, sondern regelrecht floppt, dürfte das Team um Festivalchef Thierry Frémaux allerdings wenig stören.

Die Cannes-Chefs. Präsident Pierre Lescure (links) und der Kreativkopf und Künstlerische Leiter Thierry Frémaux.

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Gelassenheit immerhin kann der berühmte Spanier insofern zeigen, als er in seiner Karriere nahezu alles an Preisen abgeräumt hat – von Venedig über britische Baftas und französische Césars und einen Oscar bis zum Europäischen Filmpreis. Und aus Cannes selbst hat er 1999 einen Regiepreis und 2006 den Drehbuchpreis mitgenommen. Gerade bei so viel Lorbeer aber muss man keineswegs jung und heißblütig sein, um erst recht von der Palme aller Palmen zu träumen.

Immerhin lenkt die Bescheidenheitsvolte Almodóvars nebenbei die Aufmerksamkeit auf jenes übliche Raunen, wonach Cannes stets bloß den internationalen Ältestenrat filigraner Filmemacher in seinen Wettbewerb einlade. Richtig, dies Jahr sind erneut Ken Loach (79) und, überraschend, Paul Verhoeven (77) dabei. Wer da aber von Vergreisung spricht, übersieht etwa Xavier Dolan (27), Jeff Nichols (37) und Maren Ade (39), die mit ihrem „Toni Erdmann“ das deutsche Cannes-Trauma im Alleingang zu heilen verspricht. Biografisch dazwischen finden sich, auf den Gipfeln ihre Schaffenskraft und ihres Erfolgs, Namen wie Asghar Farhadi, Cristian Mungiu, Nicolas Winding Refn, Andrea Arnold oder Park Chan-wook. Dagegen treten die Anfangsechziger Olivier Assayas oder Jim Jarmusch schon fast in der Seniorenliga an.

Und ab Mittwoch, wenn das Festival beginnt? Gelassenheit allerseits! Es geht ja nur um die Goldene Palme.

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