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Vor der WM: Fußballerinnen in der Nachschminkzeit

Schnell, schön und scharf sollen sie sein, die Fußballerinnen der deutschen Nationalmannschaft. Die neue Selbstdarstellung bedient alte Klischees.

Kim Kulig rast über den Platz, überwindet zwei herangrätschende Gegenspielerinnen. Pass rüber zu Célia Okoyino da Mbabi, die mit einem Seitfallzieher weiterleitet zu Fatmire Bajramaj. Unter den schnell geschnittenen Werbespot-Bildern liegt ein treibender Beat. Das wirkt dynamisch, doch nach wenigen Sekunden driftet das Filmchen in eine andere Welt ab: In Zeitlupe wird das Treffen von Ball und Bajramaj in der Luft hinausgezögert, die Stimme einer Opernsängerin ertönt, die Gesichter der Spielerinnen werden in Close-ups gezeigt. Dann zückt Bajramai einen knallroten Lippenstift und schminkt sich. Ihre Nationalmannschaftskolleginnen tragen derweil Rouge und Wimperntusche auf. Dann geht’s weiter mit dem Kick.

Dass dieser Fernsehwerbefilm eines Elektronikfachmarktes keineswegs ironisch gemeint ist, verdeutlicht der Slogan der Kampagne. Er lautet: „Die schönste WM aller Zeit“. Wolfgang Brenner, der Marketingleiter des Unternehmens, ist stolz, dass die „hübschesten Spielerinnen“ dabei mitmachen, und betont, dass für seine Firma „weibliche Anmut und Schönheit kein Widerspruch zu sportlichem Erfolg und Technik“ sind.

Schön, hübsch, anmutig – auffallend oft werden Fußballerinnen in jüngster Zeit mit solchen Attributen belegt. Auch sexy und glamourös sind neuerdings in der Berichterstattung beliebt. Im Vorfeld der Ende Juni beginnenden Frauenfußball-WM spielen körperliche Attraktivität und mediale Weiblichkeitsinszenierungen der Kickerinnen eine größere Rolle als jemals zuvor. Fern scheint die Zeit, in der Birgit Prinz sagte: „Wir möchten unseren Sport vermarkten, nicht unseren Hintern.“ Das war vor etwas mehr als sieben Jahren, und inzwischen weiß Deutschland sogar, wie der nackte Hintern von fünf Junioren-Nationalspielerinnen aussieht. Die Frauen zogen sich für die aktuelle Ausgabe des „Playboy“ aus, der sie in leichter Sepia-Optik in softpornografischen Posen präsentierte. Sat- 1-Frühstücksfernsehen machte über das Foto-Shooting einen schmierigen kleinen Bericht mit den halbnackten Spielerinnen. Die „Bild“-Zeitung nahm eines der Fotos auf Seite 1.

Zwar wird keine der im Playboy Abgebildeten bei der WM auf dem Platz stehen, doch in milderer Form finden sich auch sexualisierte Darstellungen von A-Nationalspielerinnen. So präsentierten einige – gestylt wie Models – in der „Brigitte“ Accessoires wie Hüte, Taschen und Schmuck. Ein Shampoo-Hersteller veranstaltete ein Beauty-Shooting mit sechs jungen Spielerinnen, die aufgedonnert und in schwarz-rot-goldenen Abendkleidern von Starfotograf Ian Rankin in Szene gesetzt wurden. Im Making-of-Video sagt Simone Laudehr: „Wenn wir weiblich und sexy wirken möchten, dann ist es ja wichtig, dass wir eine gute Ausstrahlung haben, gepflegt sind und gut aussehen.“ Was Birgit Prinz wohl dazu sagen würde? Wahrscheinlich würde die Stürmerin lieber vielsagend schweigen, so wie sie es auch getan hat, als eine Barbie mit ihrem Namen auf den Markt kam. Das Püppchen mit den grotesk dünnen Beinen hat mit der Nationalspielerin keinerlei Ähnlichkeit.

Diese neue Feminisierung und Sexualisierung des Frauenfußballs findet nicht zufällig kurz vor der Weltmeisterschaft statt, in die der DFB große Hoffnungen setzt. Der Frauenfußball ist eine Wachstumsbranche. Immer mehr Mädchen kicken in Vereinen, Frauenfußall ist der am schnellsten wachsende Mannschaftssport in Deutschland. In Sachen Merchandising und Zuschauerzuspruch gibt es noch viel Potenzial. Die WM unter dem offiziellen Motto „20Elf von seiner schönsten Seite“ soll dem Sport einen Schub geben, ihn auf ein neues Niveau heben.

Dieses Ziel, von der Randsportart in den Mainstream aufzusteigen, kann nur erreicht werden, wenn der Frauenfußball sich ganz und gar den Spielregeln des Massenmarktes unterwirft. Es gilt, den Gesetze der Entertainment-Industrie zu gehorchen, nach denen der Männerfußball schon seit langem funktioniert. Spieler wie David Beckham, Cristiano Ronaldo oder Michael Ballack sind Werbeikonen und Pop-Stars.

Wollen Fußballerinnen in die Sphäre der populären Massenkultur vordringen, gibt es ein ganz klares Leitbild: Sie müssen den stereotypen Weiblichkeitsvorstellungen entsprechen, die in der westlichen Medienwelt vorherrschen. Sie müssen schlank sein, am besten langhaarig und sexy. Heidi Klum führt in ihrer TV-Show „Germany’s Next Top Model“ seit Jahren vor, wie der Idealtypus auszusehen hat. Aber auch in fast jedem beliebigen Musikvideo, Werbespot oder Hollywoodfilm wird dieses Bild gepflegt. Die britische Publizistin und Feministin Natasha Walter spricht in ihrem Buch „Living Dolls – Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“ von einer „hypersexualisierten Kultur“, die Frauen fast ausschließlich nach ihrer sexuellen Anziehungskraft bewertet.

Sex sells – die normative Kraft dieser alten Werberegel ist immens. Und für Fußballerinnen gibt es wenig Spielraum, sich dieser Vorgabe zu entziehen, zumal sie die Werbeeinnahmen dringend brauchen. Die meisten Bundesliga-Spielerinnen sind Halbprofis, sie arbeiten nebenher oder machen Ausbildungen. Andere sind Sportsoldatinnen. Selbst bei größeren Vereinen liegen die Monatsgehälter der Spielerinnen zwischen 500 und 2000 Euro. Da lässt man sich schon mal etwas tussig fotografieren. Manche Spielerinnen sehen darin offenbar auch eine Chance. Schließlich gilt Fußball in Europa – anders als in den USA – immer noch als der Männersport schlechthin. Er steht für Kraft, Kampf und Härte, Attribute, die traditionell der männlichen Rolle zugeschrieben werden. Daran ändern auch metrosexuelle Aufhübschungen nichts, die letztlich nur eine geschickte Marketinganpassung an die Popkultur sind. Für Männer besteht kein Rollenkonflikt im Fußball, für Frauen – vor allem für heterosexuelle – ist er omnipräsent. Also versuchen sie, die Weiblichkeit, die ihnen auf dem Spielfeld abgesprochen wird, abseits davon wiederherzustellen – durch betont genderkonformes Auftreten.

Diese Kompensationsbewegung ist angesichts der jahrzehntelangen Verunglimpfung des Frauenfußballs als unästhetischer Mannweiber-Sport nur allzu verständlich. Sie birgt aber ein unauflösbares Dilemma: Indem sie den Blick verstärkt auf ihre äußere Erscheinung lenken, sabotieren die Fußballerinnen ihren eigenen Wunsch, in erster Linie als Sportlerinnen ernst genommen zu werden. Symptomatisch ist eine Aussage der Bayern-Spielerin Annika Doppler im „Playboy“: „Fußballerinnen sind sehr durchtrainiert, sehen aber immer noch weiblich aus – und oft auch sehr gut. Ich lade alle Männer ein, sich bei einem Spiel live davon zu überzeugen.“ Dieses Zitat ist auch insofern beschämend, weil es männlichen Zuschauern ein rein sexistisches Interesse am Frauenfußball unterstellt. Dass sie ins Stadion gehen, um sich ein gutes Frauenfußballspiel anzuschauen, wird gar nicht für möglich gehalten. Ein sportlich interessierts Publikum gewinnt man so sicher nicht.

Der DFB forciert den Feminisierungstrend nicht offen. So sind etwa die Werbematerialien der offiziellen Sponsoren des Nationalteams neutral und nicht sexualisierend gehalten. Die klischeemäßig auf Weiblichkeit getrimmten Aktionen kamen über die Berater der Spielerinnen zustande und benutzen auch keine DFB-Logos. Arg gegen den Strich scheinen diese Bilder dem Verband jedoch nicht zu gehen. „Wir haben hübsche Frauen in der Mannschaft, die sich sehen lassen können“, sagt Niels Barnhofer, der Sprecher der Elf. Die Nacktfotos der Nachwuchsabteilung kommentiert er gelassen: „Das sind erwachsene Menschen, die selber entscheiden können, was sie machen.“ Wie wär’s als Nächstes mit einem Porno?

Der Sport spiegelt eine Gesellschaft, in der Sexismus weiterhin eine große Rolle spielt (s. auch S. 8). Von einem konservativen Element wie dem Fußball zu erwarten, dass er zum Aufbrechen von traditionellen Rollenbildern beiträgt, ist illusionär. Stattdessen herrscht klammheimliche Freude, dass das Lesbenklischee im Frauenfußball langsam vom Sexy-Girl-Klischee verdrängt wird – es passt besser ins patriarchalische Weltbild.

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