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Kultur: Vorschau: All that Jazz

Miriam Makeba bittet um Verzeihung. Dafür, dass sie weint.

Miriam Makeba bittet um Verzeihung. Dafür, dass sie weint. Im Berliner Haus der Kulturen der Welt spricht sie von Würde, Schmerz und Erinnerung. Sie dankt dem deutschen Publikum dafür, dass es zur Beseitigung der Apartheid in ihrer südafrikanschen Heimat beigetragen hat. Sie entschuldigt sich für die Tränen, die mit der Erinnerung kommen. Von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen erhielt sie kürzlich die Otto-Hahn-Friedensmedaille, und zum Dank tat sie das, was sie nach eigenem Bekunden am besten kann - singen. Makeba war in den 60er Jahren ein amerikanischer Star, hip, stolz und selbstbewusst.

Auch die anderen tauchten wieder auf in diesem Jahr. Archie Shepp in New York und Abbey Lincoln im Ken Burns Film "Jazz", Nina Simone in der Carnegie Hall und Gato Barbieri in Österreich. Die New York Times feierte die einstige Free-Jazz-Avantgarde, und das Fachblatt "Jazz Times" stellte Archie Shepp nach fast 30-Quasi-Exil-Jahren mit einer Titelstory vor, weil bei Universal Music die CD "Rosewell Rudd and Archie Shepp Live in New York" veröffentlicht wurde. Shepp, der sich wegen Ansatzproblemen zunehmend aufs Singen verlegen musste, und Amiri Baraka, das Mastermind der politischen Poetry, bemühen die bekannten Codes für kulturell kompetente Subversion. Bis vor vier Monaten war ihr Statement, dass die amerikanische Kultur nichts tauge, mit Ausnahme dessen, was von den Schwarzen erfunden wurde, irgendwie im Rahmen.

Die CD dokumentiert ein Konzert im New Yorker Club Jazz Standard. Shepp nahm einen Faden wieder auf, der sich vor über zehn Jahren im Berliner Quasimodo verloren hatte. Damals wollte er mit dem Posaunisten Grachan Moncur III. und dem Pianisten Dave Burrell auf der Quasimodo-Bühne Erroll Garners "Misty" spielen. Shepp kündigt als Solisten dieser Ballade den Posaunisten Grachan Moncur III. an. Doch Moncur bricht schon während des Intros ab. Beginnt ein zweites Mal, stoppt wieder, droht mit Streik. So oder gar nicht sollte es sein, und deshalb sollte Burrell nicht mitspielen dürfen. Shepp schob Burrell dann kurzerhand vom Hocker und begleitete Moncur eher prankig als seriös am Klavier.

Dabei waren es eigentlich nur Floskeln schwarzer Selbstinszenierung, die hier wirksam wurden. Das Stück wurde fad und holprig zu Ende gebracht, der mobile Plattenverkäufer kommentierte das Konzert mit Verweisen auf die gute alte Zeit. Auf "Fire Music" und "Attica Blues". Die Tradition, die man nach dem New Thing so gern erkunden wollte, hatte ihre Krallen gezeigt.

Heute klingt diese Musik sehr vertraut. Vor allem in der Version des Trompeters Wynton Marsalis, der während seines diesjährigen Berlin-Besuchs zeigte, was Jazzleben auf amerikanisch heißt. Nach seinen Konzerten in der Philharmonie jammte er bis frühmorgens im A-Trane, und nach anstrengenden Proben erschien er zum Mittagessen hungrig und diskursbereit. Wenn Marsalis nicht Jazz spielt, dann redet er darüber. Unlängst wurde der erfolgreiche Musiker von den Vereinten Nationen zum Friedensbotschafter ernannt.

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