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Kultur: Vorschau: Babel & Co: Christian Broecking über einen Integrationsmeister in Zeiten des Zerfalls

Kürzlich waren Herbie Hancock und seine langjährige Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington mit Hancocks neuestem Projekt, "Future2Future", auf Tour, und es gab Fender Rhodes und Korg Karma satt. Doch verglichen mit der Jahrhundertplatte aus den sechziger Jahren, "Karma" von Pharoah Sanders, klingt Hancocks Instrument dann doch eher wie Notebookjazz.

Kürzlich waren Herbie Hancock und seine langjährige Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington mit Hancocks neuestem Projekt, "Future2Future", auf Tour, und es gab Fender Rhodes und Korg Karma satt. Doch verglichen mit der Jahrhundertplatte aus den sechziger Jahren, "Karma" von Pharoah Sanders, klingt Hancocks Instrument dann doch eher wie Notebookjazz. Dass der über 60-jährige Pianist und Keyboarder dennochmit Buddha Rap- und Chaka Khan-Samples ein überzeugendes Integrations-Projekt hinlegt, hat schon Klasse für sich. Kaum ein Jazz-Star seit Miles Davis ist so umtriebig, sperrig und erfinderisch wie Hancock, auch wenn das gerade in seinen Berliner Konzerten nicht immer verifizierbar war. Die Trompete von Wallace Roney, dem offiziellen Miles Davis Nachfolger, klingt verstopft, die Stimmung reduziert, Lautheit macht sich breit. Der Rekurs auf die Anfänge des Fusion im Schatten von Mondgang und Vietnamkrieg ist bei "Future2Future" offensichtlich. Und so stellt sich nach spätestens zehn Minuten auch das Gefühl ein, dass Fusion doch schon immer mehr eine Frage des Glaubens war - ein Gegenentwurf zum musikalischen Understatement. Und deshalb gibt es bei der neuen Hancock auch Turntables und andere nicht mehr ganz so neue News aus der Welt des Pop, die im Jazz wohl noch geraume Zeit als Novität gelten.

Terri Lyne Carringtons Band kommt jedenfalls konventioneller daher. Bei ihren ausverkauften A-Trane Konzerten im April musste der Saxofonist Gary Thomas überraschend wegen einer Zahnoperation absagen, jetzt ist er erneut als Sideman angekündigt. Ebenso die Ehefrau von Wallace Roney, die kongeniale Pianistin Geri Allen, die wie auch der Gitarrist David Gilmore der sagenumwobenen M-Base-Connection entstammt, die in dieser Formation noch einmal wirksam wird. Terri Lyne Carrington wird mit ihrer Fusion-Group, zu der auch der Bassist Victor Bailey gehört, von Dienstag bis Donnerstag im A-Trane spielen, Beginn ist jeweils um 22 Uhr.

Einen Vorgeschmack auf den Avant-Fusion-Anteil beim Berliner JazzFest 2001, das vom 31. Oktober bis 4. November stattfinden wird, gibt es zurzeit im Internet. Der skandinavische Trompeter Nils Petter Molvaer - er wird am 2. November im Tränenpalast spielen - war gerade erst beim JazzPort Festival in Hamburg dabei. Mitschnitte seines Konzerts stehen unter www.classicsandjazz.de jetzt als Real Video zum kostenlosen Anschauen bereit. Ansonsten protzt das diesjährige JazzFest mit neuen Spielorten und vielen Unbekannten. Nicht nur im Haus der Berliner Festspiele sind Auftritte geplant, sondern auch im Stilwerk, Quasimodo und Tränenpalast. Ob dies nun das Publikum mehren wird oder zerstreuen, bleibt abzuwarten. Da die Konzerte im Tränenpalast und Quasimodo gleichzeitig stattfinden, wird es zukünftig wohl schwieriger sein, über das JazzFest als gemeinsamem Erlebnis zu philosophieren. Vielleicht sollten wir die partielle Wahrnehmung und Partizipation begrüßen, denn sie genießt das Event, nicht mehr das Detail.

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