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Kultur: Vorschau: Babel & Co

Wenn Naturwissenschaftler poetisch werden, kommt es leicht zu Lyrismen, die weder den Ansprüchen der Ästhetik noch denen der Sache gerecht werden. Wenn Poeten naturwissenschafteln, kann das gleiche passieren.

Wenn Naturwissenschaftler poetisch werden, kommt es leicht zu Lyrismen, die weder den Ansprüchen der Ästhetik noch denen der Sache gerecht werden. Wenn Poeten naturwissenschafteln, kann das gleiche passieren. In Durs Grünbeins Werk lässt sich in dieser Hinsicht die Spannbreite vom geglückten bis zum misslungenen Text gut beobachten. Der "dichterische" Ton oder die Sehnsucht nach der gelungenen Metapher setzen sich leicht über die Tatsachen hinweg. Ein besonders drastisches Beispiel ist ein Text Grünbeins über ein Foto, das Lennart Nilsson in den sechziger Jahren gemacht hat. Es zeigt einen Fötus im Mutterleib. Grünbein schreibt: "Dieser Keimling mit den großen Augen der Außerirdischen aller Hollywoodfilme war der erste, dem eine bildersüchtige Öffentlichkeit auf den Nabel schaute." Gegen Ende seines Textes fragt er danach, was aus dem Fötus wohl geworden sein mag und ob der inzwischen erwachsene Mensch dieses Foto von sich im Familienalbum habe.

Grünbein ist ein kluger Mann. Darauf kommt es bei Dichtern aber nicht an. Was zählt, ist die Genauigkeit der Wahrnehmung. Grünbein über den Fötus: "Der rechte Ellenbogen stößt von innen gegen den uterinen Skaphander, der sich wie Zellophanfolie spannt." Hier beweist die Wahrnehmung des Dichters, wie sehr sie dem, was der Dichter zu wissen glaubt, überlegen ist: Der Fötus war wirklich in einer Zellophantüte, nicht im Mutterleib; er war tot, nicht lebendig; das Bild war eine Inszenierung, ein Betrug, wie Lennart Nilsson später zugegeben hat. Wenn man um diesen Sachverhalt weiß, der dem Dichter entgangen ist, purzeln all die schönen Existenzmetaphern, die der denkende Dichter in seinem Text aufbietet, sofort ins Komische. Was bestehen bleibt, ist die bewundernswerte Exaktheit seiner Beobachtung, die sich noch gegen das eigene "Wissen" behauptet. Heute um 20 Uhr spricht Sigrid Weigel im Literarischen Colloquium mit Durs Grünbein über das Wissen der Literatur.

Es gehört zu den Gewohnheiten populärer Wissenschaftsvermittlung, sich der biografischen Methode zu bedienen. "Darwin & Co" heißt eine "Geschichte der Biologie in Portraits", die von Ilse Jahn und Michael Schmitt herausgegeben wurde. Am Donnerstag um 17 Uhr stellen sie es im Museum für Naturkunde in der Invalidenstraße vor.

"Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung" ist der Titel des Gartenfestes der Literaturwerkstatt am Freitag. Ab 19 Uhr können Sie sich das erste Bier zapfen oder den ersten Wein einschenken lassen. Ab 20 Uhr gibt es dann scherzhafte, satirische, ironische oder bedeutungstiefe Texte zu hören: Von Annett Gröschner, Annegret Held, Ulrich Holbein und Ulla Lessmann.

Der F.-C.-Weiskopf-Preis 2001 geht an Paul Wühr. Die Verleihung findet am Freitag um 20 Uhr im Clubraum der Akademie der Künste statt. Rainer Kirsch begrüßt, Klaus Ramm hält die Laudatio und Paul Wühr liest aus "Athene im Reichstag". Hier ein Zitat aus seinem faszinierenden Tagebuch "Der faule Strick": "Poesie: Wer in Schmerzen lebt, kann sie nicht lesen. Wer ohne Schmerzen lebt, begreift sie nicht. Ihre Entbehrlichkeit. Dieser gleichgültige Geschäftston, wenn man einen Traum kauft. Mit zwei Augen lesen. Mit einem schreiben. Blind schweigen. Das Tragische unter dem Blödsinn begraben. Das Denkmal darüber: Stein. Der bekommt es mit dem Wasser zu tun./ Er hat eine Wahrheit ausgesprochen, der niemand widersprach. Also ist er ein Idiot. Er lebt noch. Die idiotische Nachwelt./ Das Theater der Träume ist ausverkauft."

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