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Kultur: Wahlkampf: Auf allen Kanälen

Irgendeiner seiner Berater muss ihm vorher das mit der Krawatte eingebläut haben. Die sollte während des Auftritts bei Maybrit Illner offenbar immer genau in der Mitte des blütenweißen Kanzlerhemdes hängen, weshalb Schröder sie immer wieder an den rechten Fleck genau in der Mitte zupfte.

Irgendeiner seiner Berater muss ihm vorher das mit der Krawatte eingebläut haben. Die sollte während des Auftritts bei Maybrit Illner offenbar immer genau in der Mitte des blütenweißen Kanzlerhemdes hängen, weshalb Schröder sie immer wieder an den rechten Fleck genau in der Mitte zupfte. Bewusst mittig, bewusst selbstbewusst präsentiert sich Gerhard Schröder am Donnerstag bei "Berlin Mitte". Kein Angstkanzler, keiner, der vor seinem Kontrahenten zittert. Gewiss, Schröder räumt Fehler ein: bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ("die Zahlen werden Ende Januar sogar noch steigen"), bei der Senkung der Lohnnebenkosten. Aber er macht sich und seinem Lager Mut. Der wirtschaftliche Aufschwung noch vor den Wahlen sei nicht bloße Hoffnung, sondern "eine Erwartung, die belegt ist", sagt er, die Holzlehne seines Stuhls umklammernd. Er verweist auf die "solide Haushaltspolitik" des Hans Eichel, der festhalten werde an seinem Sparkurs, auch "über das Jahr hinaus". Und doch wirkt Schröder ein wenig wie der späte Kohl, wenn er erklären will, warum Deutschland beim Wirtschaftswachstum in Europa zur Zeit den letzten Platz belegt. Man müsse fairer Weise auch die "deutschen Besonderheiten" beachten, sagt er. Die Einheit als Erklärung - das kennt man. Die Angriffe gegen Stoiber sind rar, selten persönlich. Wieso solle das, was 16 Jahre nicht gelungen ist, jetzt mit den gleichen Konzepten und Personen gelingen, fragt der Kanzler rhetorisch. Er verweist auf Versprechungen, die Stoiber schon vor seiner Nominierung gemacht habe, die insgesamt 75 Milliarden zusätzlich kosteten. "So kann man doch nicht Politik machen!" Und dann kommt der für Schröder doch etwas erstaunliche Satz: "Politik ist keine Showveranstaltung." Damit spielt er auf Stoibers Wunsch an, sich nun öfter mit dem Amtsinhaber im TV zu duellieren. Schröder reichen zwei Duelle: eins zu Beginn der heißen Phase, eins kurz vor Schluss. Sein Wunsch: Private und öffentlich-rechtliche Sender sollten sich zusammenschalten, Schröder und Stoiber auf allen Kanälen. Wen das nicht interessiere, könne ja ein Buch lesen. Ihm selbst sei jetzt wieder eins in die Hände gefallen. Ausgerechnet das des spanischen Schrifstellers Ortega y Gasset. Titel: "Aufstand der Massen". Zufall? Egal. Abspann. Dann kommen Kerner und die Knef.

Markus Feldenkirchen

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