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Kultur: Wann Kinder fernsehen sollen

Ein

VORSCHLAG von Joachim Huber

Der Satz ist gefährlich, weil er eigentlich verharmlost. „Sternenkinder“ war nicht der „brutalste ,Tatort’ aller Zeiten“, wie die „Bild“-Zeitung in der Ausgabe vom Samstag geurteilt hatte. Die Bilder einer Frau, der das Kind aus dem Bauch geschnitten worden war, waren blutüberströmt, sie wirkten drastisch auch deshalb, weil der Zuschauer sich sofort sein eigenes Fantasie-Bild von der zurückliegenden, grausigen Tat machte. „Bild“ unterlegte sein Urteil mit einer Warnung. Wolf-Dieter Ring, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz, sagte der Zeitung, „ein so krasses Thema kann ein Schock-Erlebnis für Kinder und Jugendliche sein“. Kommissar-Darsteller Axel Milberg meinte, „Sternenkinder“ sei kein „Tatort“ für die ganze Familie.

Beide haben schon Recht, und indem sie Recht haben, legen sie offen, was Sache ist: Ein „Tatort“ wird wie andere Krimis nicht nur von Erwachsenen, sondern auch von Kindern und Jugendlichen gesehen. Die Statistik der Medienforschung belegt, dass in einem von fünf Kinderzimmern (Kinder meint hier zwischen drei und 13 Jahren) ein Fernsehgerät steht. Zehn- bis 13-Jährige sitzen um 21 Uhr in gleicher Zahl vor dem Fernseher wie um 19 Uhr. Um 22 Uhr 30 sieht noch jedes zehnte Kind dieser Altersgruppe fern. Die Vermutung ist nicht absurd, dass Kinder den „Tatort: Sternenkinder“ am Sonntag verfolgt haben.

Die gewünschten Grenzen zwischen Fernsehen für Kinder und Fernsehen für Erwachsene sind mit 20 Uhr 15 längst nicht mehr zu markieren. Appelle an die Eltern, den TV-Konsum der Kinder zu kontrollieren, geraten rasch in den Verdacht ungebührlicher Einmischung. Wäre es ein Fehler, von den Sendern bereits ab 20 Uhr 15 eine Altersfreigabe zu verlangen, wie sie das Fernsehen zu späterer Stunde bereits praktiziert? Eine Orientierung, ein unübersehbarer Hinweis wäre das, welche Programmzone damit betreten wird. Wer um 20 Uhr 15 „Wetten, dass..?“ oder „Germany’s Next Topmodel“ startet, der hat schon begriffen, dass Kinder um diese Zeit nicht im Bett liegen wollen. Und weil die Sender das akzeptieren, ja fördern, dürfen sie deutlich mehr Einsatz dafür leisten, dass Kinder und „Sternenkinder“ voneinander nichts erfahren.

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