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Kultur: War da nicht was?

Bei den neuesten Gemälden von Stephan Jung von Fotorealismus zu sprechen geht knapp an der Sache vorbei.Der 1964 in Stuttgart geborene Jung malt nach fotografischen Vorlagen, Zeitungsausschnitten oder Fotos, vergrößert aber den Ausschnitt so stark, daß das Ergebnis völlig abstrakt aussieht.

Bei den neuesten Gemälden von Stephan Jung von Fotorealismus zu sprechen geht knapp an der Sache vorbei.Der 1964 in Stuttgart geborene Jung malt nach fotografischen Vorlagen, Zeitungsausschnitten oder Fotos, vergrößert aber den Ausschnitt so stark, daß das Ergebnis völlig abstrakt aussieht.Auch die traditionell gemalten Ausschnittvergrößerungen behalten allerdings die typischen Unschärfen der Fotografie bei.

Im Ergebnis präsentiert das Bild vom ursprünglichen Vorbild mehr eine Ahnung als eine Erkennen.Irgendwie kommen einem die Ansichten bekannt vor, doch genau sind sie nicht zu identifizieren.Sie besetzen eine Art von Optisch-Unbewußtem, von Randerscheinung und Nebensächlichem, das man in der Regel nur flüchtig wahrnimmt, ohne es bewußt zu registrieren.

Die zwei Punkte auf einem unbetitelten Bild, schwarzweiß im Grau schwebend, stammen ursprünglich vom Bild eines Würfels, wie er beim Spiel verwendet wird.Zur Genese dieses Bildes gibt es einige Vorstufen, Bilder, in denen man sieht, wie Jung das Ausgangsmaterial immer weiter vergrößert und damit abstrahiert hat.Bei der dritten Stufe, einem Riesenformat auf etwa sechs Quadratmetern (11 000 DM), haben sich die schwarzen "Augen" des Würfels verselbständigt, denn sich schweben nun im Nichts.Es könnten auch einfach zwei Herdplatten sein, wären da nicht die exakt wiedergegebenen Reflexe, die auf die Materialität des Gegenstandes hinweisen.

Bleibt nur die Frage, warum man das malt? Natürlich geht es dieser Malerei auch um die Frage nach dem Realen.Indem Jung das nur peripher Gesehene zum Thema macht, stellt er die Frage nach dem, was als Realität in uns wirkt.Was übersehen wird, regiert die Wahrnehmung mit.Jung zeigt also einer sich immer schneller beschleunigenden Wahrnehmung ihr Verdrängtes auf.Die immer häufiger in Anspruch genommene pattern recognition, wie sie beim Betrachten von Videoclips zum Einsatz kommt, schafft sich eine Welt der grobschlächtigen Schemata.Die Toleranzschwelle dieser Wahrnehmungsweise, welche der sich in den Gegenstand versenkenden Kontemplation diametral entgegensteht, übersteigt nur noch der grelle optische Schock.

Das Ungefähre, das was im Alltag - vor dem Fernseher oder auf der Straße - übrig bleibt und aussortiert wird, entschwindet ins Reich der Kunst.Dieses Sublime ist also einfach ein Abfall, das Relikt einer früheren Zeit.Vielleicht aber auch Bestandteil einer Erinnerung an etwas, was die Schockabwehr des Bewußtseins unterläuft.War da nicht was? In diesem Zwischenreich aus Erinnerung und Vergessen, Konnotation und Denotation, Erfindung und Abbild, siedeln Jungs Motive.

Galerie Eigen + Art, Auguststraße 26, bis 28.November; Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr, Sonnabend 11-17 Uhr.

RONALD BERG

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