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Was bleibt: Das Erbe des Popstars

Als sich Joseph Jackson am Sonntag, drei Tage nach dem Tod seines Sohnes Michael, bei den "Black Entertainment"-Awards der Fernsehbranche zeigte, wurde er auch nach seiner Trauer gefragt. "Oh", sagte der schroffe Mann, "die Familie hat einen großen Popstar verloren."

Kurz zuvor hatte der 79-jährige Patriarch auf einer Pressekonferenz erklärt, dass er ein Plattenlabel gegründet habe. Um das Sorgerecht für die drei Kinder Jackos bemüht sich die Familie außerdem, die Vormundschaft ist Großmutter Katherine bereits übertragen worden.

Familien verlieren keine Popstars. Was auch immer ein Mensch gewesen sein mag, ob bedeutend oder unbedeutend, böse oder gut, von anderen gemocht oder missachtet, in der Familie sollte er nur er selbst sein dürfen. Sie ist der Ort, so meinte jedenfalls Hegel, an dem eines Toten unabhängig von seiner früheren Funktion gedacht wird, die er für den Staat – als Soldat, Steuerzahler, Verbrecher – gehabt hat. Nach Vater Jacksons Definition ist Michael bereits als Popstar auf die Welt gekommen. Durch ihn wurde die Familie zu jenem dynastischen Unterhaltungsbetrieb, der jedes seiner Kinder nötigte, eine musikalische Solokarriere einzuschlagen. Gleichgültig, ob es Talent dafür besaß oder nicht.

Es geht um Geld, viel Geld. Obwohl Jackson nach dem Verlust seiner Neverland Ranch („Ich werde hier nie wieder leben“) wie ein Vagabund zwischen Las Vegas, Bahrein und Los Angeles pendelte, war er keineswegs so unvermögend, wie kolportiert wurde. Den Schulden von bis zu einer halben Milliarde Dollar könnte ein geschätztes Guthaben aus Musikrechten von 200 Millionen gegenüberstehen. Was schon an sich ein ganz schönes Sümmchen wäre. Doch viel wichtiger sind die Einnahmen aus künftigen Plattenverkäufen. Wozu sonst braucht Joseph Jackson ein eigenes Label?

Die Popgeschichte kennt viele Beispiele, wonach Stars tot mehr Geld einbrachten als zu Lebzeiten. Da Jackson in den acht Jahren seit Erscheinen von „Invincible“ nicht untätig war, soll es etwa hundert unveröffentlichte Songs von ihm geben. Das würde acht weitere Alben füllen: Alles muss raus! Was an Mitschnitten und Videos von der Vorbereitung auf die „This is it“-Shows in London existiert, wird schon bald unters Volk geworfen, ein Bombengeschäft. Wer von uns wollte nicht, dass Jackson, so irreal er war, als Legende weiter aufblüht? He finaly made it to neverland. Das erklärt, warum das Gezerre um Jacksons Erbe eingesetzt hat, noch bevor der am Donnerstag verstorbene Ausnahmemusiker beigesetzt ist. Es ist unappetitlich und beschämend, gewiss. Aber es passt ins Bild dieses Märchenkönigs, dessen Reich nun neu vermessen und aufgeteilt wird.

Die Kinder spielen dabei eine Schlüsselrolle. Jackson soll sie in einem hinterlassenen Testament von 2002 als Erben eingesetzt haben, neben seiner Mutter sowie Wohltätigkeitsorganisationen. Da ist Vater Jacksons Lächeln schon verständlich. Er hat einen Popstar verloren, aber etwas sehr viel Wertvolleres bekommen: einen toten Popstar.

Kai Müller über das[was von Michael Jackson bleibt]

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