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Kultur: Was immer funktioniert

OPER

Ruth Berghaus wusste genau, weshalb sie Wiederaufnahmen ihrer Inszenierungen immer selbst überwachte: Die Magie ihres Musiktheaters kommt nicht durch bloßes Ausführen einstudierter Bewegungen zustande, sondern nur, wenn auch die Sänger zu Überzeugungstätern werden. Eben dieses Entscheidende, Ungreifbare fehlt denn auch zunächst der Wiederbelebung ihres Pelléas an der Staatsoper , sieben Jahre nach dem Tod der Berghaus. Sicher, alle Gesten und Gänge sind mit Sorgfalt einstudiert, die stimmschöne Besetzung (herausragend Hanno Müller-Brachmann als viriler Golaud) hat merklichen Respekt vor dem Werk der großen Regisseurin – und doch fehlt der Fluss des Selbstverständlichen, läuft das Geheimnisvolle Gefahr, zum Seltsamen zu verhärten. Barbara Bornemann etwa, die umwerfende Ulknudel aus dem Ensemble und stimmlich noch gut im Saft, setzt mit etwas absonderlichem Französisch als Königin Geneviève Akzente unfreiwilliger Komik. Doch zum Glück ist da die Musik Debussys: Mit ihren sanft beschwörenden Harmoniefolgen zieht sie die Darsteller in Bann, holt die verrätselten Bilderfolgen der Berghaus aus der Theatergeschichte unmerklich wieder in die Gegenwart (wieder am 25., 28., 31.10.). Die Wiedererweckung gelingt, weil mit Michael Gielen der gleiche Mann am Pult steht wie bei der Premiere vor zwölf Jahren. Gielen zeigt, dass die Lösung dieser symbolistischen Dreiecksgeschichte im Zuhören liegt und dirigiert die Geschichte von „Pelléas et Mélisande“ als tiefsinniges Seelenstück, das Schmerz, Freude und Dramatik direkt ausspricht, das Brüche ebenso kennt wie Schönheit. Und die Magie, sie funktioniert wieder – zum letzten Mal?

Jörg Königsdorf

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