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Was machen wir heute?: An eine große Frau erinnern

Wie eine Rentnerin die Stadt erleben kann

Ihr Name ist vielen geläufig, ihr literarisches Werk kaum. Die Rede ist von Nelly Sachs, geboren 1891 in Berlin, gestorben 1970 in Stockholm, aufgewachsen als Kind jüdischer Eltern im Hansaviertel, Lessingstraße 5, eine Gedenktafel erinnert daran. Im Jüdischen Museum ist ihrem Leben und Werk jetzt die erste große Ausstellung gewidmet. Motto: „Flucht und Verwandlung“.

Bewegend wird ihr Lebensweg erzählt, vom behüteten „Paradiesgärtlein“ über Verfolgung und Flucht zur „Kajüte“, der winzigen Wohnung in Stockholm mit Aussicht aufs Wasser. Dinge aus dem Nachlass sind zu sehen, Briefe, Fotos, Manuskripte, die Schreibmaschine Marke Mercedes. Mit 21 hatte Leonie Sachs, genannt Nelly, der verehrten Selma Lagerlöf ihr erstes Buch „Legenden und Erzählungen“ geschickt und die ermutigende Antwort erhalten: „Hätte es selbst nicht besser tun können.“ Viel später sollte dieser Kontakt existenzielle Bedeutung gewinnen, denn Selma Lagerlöf und der schwedische Prinz Eugen verhalfen ihr ins rettende Exil. Es grenzte an ein Wunder, dass ihr und der Mutter im Mai 1940 der Abflug von Tempelhof glückte; sie hatte soeben den Befehl zum Transport ins KZ erhalten. In ihrer ärmlichen „Kajüte“ fand sie eine andere Sprache, ihre Lyrik war nun von „Durchschmerzung des Daseins“ geprägt, von Trauer um die Gequälten, Gemordeten.

Große, aber sehr späte Ehrungen wurden ihr zuteil: 1965 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1966 der Nobelpreis für Literatur, 1967 die Ehrenbürgerschaft Berlins. Da war sie längst schwedische Staatsbürgerin. Ein Film zeigt sie bei der Nobelpreisfeier, zerbrechlich, von Krankheit gezeichnet, scheu; es ist ihr 75. Geburtstag. Unter Glas liegt die Mondsteinkette, die sie zu einem schlichten blauen Kleid bei diesem Bankett trug. Die Kette ist sogar auf ihrem Porträt in der Ehrenbürgergalerie des Abgeordnetenhauses zu erkennen.

Bis 27. Juni im Jüdischen Museum, Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin, geöffnet montags 10–22 Uhr, dienstags bis sonntags 10–20 Uhr.

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