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Kultur: Was machen wir heute?: Auf Englisch hexen

Wenn Charlotte gerade mal nicht Puppenmutter, Prinzessin oder Zirkusreiterin ist, dann ist sie eine Hexe. Sie wirbelt mit den Armen, zischt magische Sprüche, die Augen senden kleine Blitze.

Wenn Charlotte gerade mal nicht Puppenmutter, Prinzessin oder Zirkusreiterin ist, dann ist sie eine Hexe. Sie wirbelt mit den Armen, zischt magische Sprüche, die Augen senden kleine Blitze. Hexen liegt ihr im Blut. Hat sie wahrscheinlich von mir. Als Mädchen - jetzt natürlich nicht mehr - war ich auch eine Hexe. So sehr, dass ein Lehrer mal schimpfte, im Mittelalter wäre eine wie ich auf dem Scheiterhaufen gelandet.

Das war natürlich ziemlich gemein. Und dumm war es auch. Hexen, vor allem junge, müssen überhaupt nicht böse sein. Die Kinderliteratur liefert jede Menge Beweise für ihre Lauterkeit. Am aktuellsten und eindrucksvollsten beweist das derzeit Harry Potter. Ohne seine Hexenfreundin Hermine und ihr Wissen wäre der berühmteste aller Zauberschüler in Hogwarts doch aufgeschmissen. Oder nehmen wir Bibi Blocksberg, die Schülerhexe im giftgrünen Dress, die mit Besen "Kartoffelbrei" und "Hex hex" allenfalls ein bisschen Chaos anrichtet, weil sie in ihrer Unerfahrenheit die Sprüche verwechselt. Wahres Unheil anzurichten, käme Bibi nie in den Sinn. Der Klassiker aber ist Otfried Preusslers "kleine Hexe", mit 127 Jahren zumindest nach einschlägigen Maßstäben ebenfalls im jugendlichen Alter, die mit ihren Tricks nur Gutes tut und die Welt gar von den garstigen Kolleginnen befreit. Sie verbrennt einfach all deren Besen.

Wahrscheinlich voll uncool, aber dieses altmodische Hexlein ist meiner Tochter momentan das Liebste. Der Potter-Hype lässt sie kalt; die wenigen Szenen im Kino-Trailer haben das Kind dermaßen verschreckt, dass es nicht einmal mehr den Namen hören mag. Wobei schon die Video-Version der "kleinen Hexe" für Charlotte hart an der Grenze war; die leibhaftige "Muhme Rumpumpel" auf dem Bildschirm hat meinem Sensibelchen ordentlich zugesetzt.

Also doch lieber das Buch vorlesen, ist längst nicht so aufregend. Oder Kassette hören. Da haben sich die Produzenten sogar was mit pädagogischem Anspruch ausgedacht. Mit der "kleinen Hexe" kann man Englisch lernen. Das Liederhörspiel vermittelt erste Vokabeln. Die Rahmenhandlung vom Zwillingspaar Thomas und Kristin, das bei seinem Englandbesuch die Geschichte von der kleinen Hexe hört, kommt großen Ohren zwar ziemlich platt vor, aber Charlotte liebt all die schönen englischen Wörter, die es da lernt.

Brocken Mountain (Blocksberg), walpurgis night, broomstick, witchcraft - der einschlägige, überaus wichtige Jargon kommt ihr inzwischen leicht über die Lippen. "Hello, hello, I am the little witch", ist die Standardbegrüßung. Wahlweise auch "My name is little ghost from Eulenburg". Denn wir haben die Kassetten-Lektionen inzwischen auf das "kleine

Gespenst" ausgeweitet, ist ja auch ziemlich mystisch. Wenn das Kind so weiter macht, steht in ein paar Jahren einer Aufnahme in Hogwarts zumindest aus sprachlicher Sicht nichts entgegen. Dann müssen wir nur noch auf die Eulenpost warten.

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