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Was machen wir heute?: Aus Porzellan trinken

Die Porzellanbranche hat es schwer, neue Kunden zu gewinnen, da der Verschleiß der Produkte gering ist. Haltbare Dinge herzustellen, die womöglich in Vitrinen aufbewahrt und dann auch noch vererbt werden, das klingt nach keiner guten Geschäftsidee.

Die Porzellanbranche hat es schwer, neue Kunden zu gewinnen, da der Verschleiß der Produkte gering ist. Haltbare Dinge herzustellen, die womöglich in Vitrinen aufbewahrt und dann auch noch vererbt werden, das klingt nach keiner guten Geschäftsidee. Wann kauft man schon mal etwas „fürs Leben“? Und dann sind die Kunden auch noch konservativ, viele wollen gar nichts Neues, sondern wünschen sich das Zwiebelmusterdekor, das sie schon von ihrer Oma kannten. Zu diesen Leuten gehöre ich natürlich auch!

Trotzdem hat es die Porzellanfabrik in Kahla geschafft, die Wende zu überleben, und heute bekommt sie für ihre Entwicklungen Designpreise in Serie. Gutes Geschirr ist lebensnotwendig. Zum Scheußlichsten, was der moderne Mensch erleben kann, gehört ein WG-Frühstück mit in Eierschalen ausgedrückten Zigarettenkippen, auf der Küchencouch lungernden Katzen und Kaffee aus klobigen Tassen mit häßlichen Werbemotiven.

Ich könnte mich in keine Frau verlieben, die Kaffee aus einer Werbegeschenktasse trinkt! Oder von eckigen, schwarzen Arcopal-Tellern isst! In amerikanischen Late-Night-Shows trinken die Moderatoren auch immer aus solchen Krügen. Das nennt man dann wohl „Pott“, in manchen Cafés kann man so etwas bestellen. Ich muss dabei immer an ein Nachtgeschirr denken.

Wer was auf sich hält, trinkt seinen Kaffee aus Kahlaer Porzellan, und wenn er im Formel-Eins-Hotel Yas in Abu Dhabi oder im Shangri La in Singapur nächtigt, freut er sich, dass sie dieses Geschirr auch dort einsetzen. Das tut der Seele in der Fremde gut.

Was die Hotelgäste wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass ihr Geschirr aus einer Kleinstadt bei Jena kommt, am Fuß der Leuchtenburg? Die Zuckerdose aus der „Five Senses“-Serie, deren Deckel so gestaltet ist, dass ein Löffel drunterpasst, musste für den amerikanischen Markt übrigens variiert werden, sie sah ihnen zu erotisch aus. Jochen Schmidt

Wer es nicht in der Vitrine hat, kann das Porzellan am Mittwoch im Fernsehen sehen: „166 Jahre Geschirr aus Kahla“, MDR, 21 Uhr 15.

Jochen Schmidt

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