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Was machen wir heute?: Die Indianer besuchen

Soraya sagt, sie habe 39 Tanten. Das könnte sogar hinkommen, denn ihr Großvater im Tschad, sagt Soraya, war mit drei Frauen verheiratet, „und dreimal 13 gibt doch 39, oder, Frau Mutter Tim?

Soraya sagt, sie habe 39 Tanten. Das könnte sogar hinkommen, denn ihr Großvater im Tschad, sagt Soraya, war mit drei Frauen verheiratet, „und dreimal 13 gibt doch 39, oder, Frau Mutter Tim?“ Frau Mutter Tim, so nennt mich Soraya an diesem Vormittag, an dem ich Timmys Klasse ins Museum begleite. Soraya ist im Herbst neu hinzugekommen und plappert wie ein Wasserfall. „… und zu meinem Geburtstag lade ich die ganze Klasse ein, und das geht bis Mitternacht, und dann schlafen alle bei mir, und meine Cousinen kommen auch …“ Blitzschnell überschlage ich im Kopf, dass die Zahl von Sorayas Cousinen in die Hunderte gehen muss, da sind wir schon da: im Ethnologischen Museum, wo die Kinder nach dem Willen der Lehrerin etwas über Indianer lernen sollten. Denn sie sind mitten in einem Indianerprojekt, das am Faschingsdienstag in einer wilden Party gipfeln soll.

In meiner Vorstellung sind Indianer schweigsame Wesen, die nach halbstündiger Bedenkzeit ein entschiedenes „Howgh!“ hervorbringen, das ganze Gegenteil von Soraya also. Im Museum lernen wir als Erstes, dass die meisten unserer Ansichten über Indianer nicht stimmen. Vorbei geht es an Vitrinen mit Mokassins, Friedenspfeifen und Tomahawks zum Tipi aus Büffelfellen. Die Kinder hocken sich im Kreis um die Führerin. Sie erzählt, dass sich die Indianer klingende Namen gaben, nach einer hervorstechenden Eigenschaft, die derjenige hatte: „Tapferer Bär“ oder „Scharf blickender Adler“ und so weiter.

Auf dem Rückweg überlegt Soraya, welcher Name wohl zu ihr passen würde. „Sprudelnder Quell“, schlage ich vor, oder „Morgentau mit 39 Tanten“. Nein, entscheidet Soraya, „Bunte Blume“ wolle sie heißen, und Frau Mutter Tim sei die „Rote Blume“. Blühend, duftend und plaudernd laufen wir zur U-Bahn zurück. Wir sind ein Garten in der Prärie. Fasching kann kommen. Dorothee Nolte

Kinder, die zu Fasching als Indianer gehen wollen, sollten sich vorher die Ausstellung im Ethnologischen Museum anschauen (Lansstraße 8, U-Bahnhof Dahlem-Dorf).

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