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Was machen wir heute?: Fahnen fangen

Du bist ein richtiger deutscher Patriot!“, sagte Y.

Du bist ein richtiger deutscher Patriot!“, sagte Y. neulich. Das klang gar nicht freundlich. „Moment mal, ich bin Basler“, entgegnete ich, „und meine Eltern sind Österreicher.“ Y. zog die Augenbrauen hoch und murmelte etwas von „Opportunist“. Man dürfe sein Nationalbewusstsein nicht einfach der Konjunktur anpassen.

Ich finde schon. Nationalstaaten sind sowieso dubios. Und bald ist wieder der 1. August, Schweizer Nationalfeiertag. Da wird der schöne Brauch des Fahnenschwingens gepflegt: Du wirfst eine riesige Schweizerfahne hoch in die Luft, sie dreht einige Loopings und landet wieder sicher in deiner Hand.

Eigentlich beherrschen den Trick fast ausschließlich Bergbauern aus der Innerschweiz. Aber mit dem Alter wird man immer schrulliger und heimatverbundener. Daher war ich wenig überrascht, als mein alter Basler Schulfreund S. kürzlich anrief, er komme nach Berlin, um eine Flagge zu kaufen. „Kein Problem“, sagte ich, „hier gibt es alles!“ Der Kauf gestaltete sich allerdings doch etwas schwieriger. S. wollte nämlich gar keine Schweizerfahne, sondern eine der UdSSR.

Am Checkpoint Charlie entdeckten wir sowjetische Flaggen. S. fand die aber gar nicht cool: „Nicht handgenäht“, mäkelte er. Von einer Billig-Sowjetflagge wollte S. nichts wissen – was vielleicht daran lag, dass er kürzlich von Basel nach Zürich umgezogen ist. Die Zürcher haben zu viel Selbstbewusstsein, wissen wir Basler.

Insider empfahlen uns das Flaggenhaus am Alex. Gegen 13 Uhr kamen wir an. „Heute ausnahmsweise bereits ab 12.30 Uhr geschlossen“, stand an der Ladentür. Ein weiterer Experte schickte uns zum Flohmarkt am Mauerpark. Wir kämpften uns durch Menschenmassen und Ramsch. Keine einzige Sowjetflagge. Immerhin hat uns aber niemand aus Estland verprügelt, als wir danach fragten. Berlin ist eben eine Weltstadt mit Herz. Da darf man ruhig ein wenig stolz drauf sein. Till Hein

Erstklassige Schweizerfahnen gibt es, wenn es offen hat, im Flaggenhaus am Alex, Karl-Liebknecht-Str. 17, Telefon 24 725 560.

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