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Was machen wir heute?: Flops loben

Wie ein Ost-Berliner die Stadt erleben kann - mit einer Woody-Allen-Filmreihe.

In den Achtzigern gab es mal eine lange Fernsehnacht in der ARD, statt Sendeschluss drei Filme nacheinander, damals ein Ausnahmeereignis. Darunter „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten“, mein erster Woody Allen, der Humor war mir aber noch zu hoch. Ein Mann zieht sich heimlich Frauenkleider an? Warum? Ein Armenier verliebt sich in sein Schaf? Und eine riesige Brust wird mit einem riesigen BH eingefangen?

Als Letztes lief ein Film, in dem Wölfe die Bronx unsicher machten, es wurde schon wieder hell. Im Plattenbau gegenüber flackerte in den Fenstern auch hier und da noch bläuliches Fernsehlicht.

Später wollte ich wegen „Hannah und ihre Schwestern“ nach New York. Sich neurotisch zu geben, war angesagt, wir kokettierten mit unserer Freud-Lektüre und lachten immer etwas irre. In der Jugend ahnt man nicht, dass das Anziehendste an einem die Gesundheit ist, von der man sich zwanghaft distanziert.

Die neuen Filme von Woody Allen stehen natürlich immer im Schatten der alten, aber im Abstand von ein paar Jahren findet man sie dann meistens doch wieder ganz gut. In Warteschlangen versuche ich, mir im Kopf alle seine Filme in der richtigen Reihenfolge aufzusagen, dann vergeht die Zeit schneller.

Für einen echten Künstler gehört es sich, sein erfolglosestes Werk für sein bestes zu halten und umgekehrt. Wenn ich Woody Allen begegnen sollte, werde ich „Stardust Memories“ loben, den Film, den er 1980 nach dem Erfolg von „Manhattan“ abgeliefert hat. Er ist eher gefloppt, deshalb schätzt er ihn angeblich selber. Der Held ist ein Regisseur, der lieber Filme über seine Angstzustände drehen würde als Komödien. In dessen Wohnzimmer eine Vergrößerung dieser Erschießungsszene aus dem Vietnamkrieg die Tapete bildet. Und dessen Fans allesamt ein Rad abhaben. Bis auf die eine, in die er sich dann gleich verliebt.

Noch bis zum 20. Mai Woody-Allen-Filmreihe im Lichtblick-Kino, Kastanienallee 77. Am 13. Mai, 20.30 Uhr „Stardust Memories“.

Jochen Schmidt

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