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Kultur: Was machen wir heute?: Füße bewundern

Wer sich die Alte Nationalgalerie anschauen möchte, sollte gut gefrühstückt haben. Auf nüchternen Magen ist die Kunst des 19.

Wer sich die Alte Nationalgalerie anschauen möchte, sollte gut gefrühstückt haben. Auf nüchternen Magen ist die Kunst des 19. für den Menschen des 21. Jahrhunderts einfach zu schwer. Schon das Bauwerk ist - jedenfalls von außen - ziemlich gewöhnungsbedürftig. Das Gebäude thront über der Spree. Und so Auge in Auge mit der Alten Nationalgalerie fühlt sich die Besucherin ziemlich klein.

Innen ist das Haus viel schöner als außen. Das Treppenhaus ist lichtdurchflutet, immer wieder erhellen Oberlichter die Räume. Besser lässt sich Malerei kaum präsentieren. Schade nur, dass es die Kunst des 19. Jahrhunderts ist. Im Obergeschoss sind Caspar David Friedrichs fantastische Landschaften zu sehen, die nur noch Schinkel toppen kann. Dem Architekten Karl Friedrich Schinkel, in Berlin hoch geschätzt und trotzdem oft abgerissen, ist im Obergeschoss ein ganzer Raum gewidmet, in dem seine idealen Landschaften zu sehen sind. Er malte gotische Kathedralen an den Rand hoher Klippen über Flüssen oder dem Meer gebaut. Und immer braut sich im Hintergrund ein Unwetter zusammen, oder ist zumindest ein Regenbogen zu sehen. Da werden der Besucherin die Knie weich.

In den Etagen darunter ist der Bau vollgestopft mit Schlachtengemälden, auch die sind ohne Frühstück schwer zu genießen. Das große Format dominierte offenbar im 19. Jahrhundert. Manche Werke sind unfreiwillig komisch, etwa das mit den riesigen preußischen Offizieren, die in ihren Schaftstiefeln in einem zierlichen französischen Haushalt ganz artig herumstehen und einem Klavierkonzert lauschen. So also sah der 1870er-Krieg gegen die Franzosen aus? Und natürlich gibt es auch Arbeiterästhetik satt. Zum Beispiel von Adolph Menzel: Das Eisenwalzwerk. Wie der Titel, so das Bild.

Doch gerade Menzel hatte viel mehr zu bieten, als bombastischen Pathos. Erholung von diesen gewaltigen Bildeindrücken ist nämlich gerade bei ihm zu finden. In einem Seitenraum gibt es ein kleinformatiges Bild, auf dem der Künstler vermutlich seine eigenen Füße verewigt hat. Es sind keine schönen Füße. Es wachsen Haare drauf, die Zehen sind leicht verformt. Es sind Allerwelts-Füße. In dieser Umgebung wirkt das Bild richtig modern.

Die Alte Nationalgalerie hat noch eine moderne Überraschung im Bestand. Die Bilder von Carl Blechen. Er hat zwar auch, ganz dem Zeitgeschmack entsprechend, fast fotografisch genaue Abbildungen erfundener, idealer Landschaften gemalt. Aber er hat auch ein ganz neues Berlin-Bild geprägt. Zum Beispiel mit einem Blick aus seinem Fenster in irgendeinem gesichtslosen Berliner Vorort. Da ist ein Schuppen und eine kleine Seitenstraße zu sehen. Ein Motiv, das im frühen 19. Jahrhundert nicht gerade gängig war. Carl Blechen würde, wären seine Bilder zwischen französischen Impressionisten zu sehen, gar nicht auffallen. Doch zwischen all den anderen romantischen Malern sticht sein Werk ob seiner Modernität angenehm heraus.

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