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Was machen wir heute?: Höflich bleiben

Es heißt, die Berliner seien unhöflicher als die Leute in anderen Teilen Deutschlands. Kann ich nur bestätigen, zumindest der Typ „angrifflustiger Rentner“ ist hier ausgesprochen verbreitet.

Es heißt, die Berliner seien unhöflicher als die Leute in anderen Teilen Deutschlands. Kann ich nur bestätigen, zumindest der Typ „angrifflustiger Rentner“ ist hier ausgesprochen verbreitet. Eine meiner ersten Erfahrungen in Berlin war, dass ich im Supermarkt mit dem Einkaufswagen die Kurve um das Regal mit dem Dosengemüse schnitt und fast mit einem anderen Einkaufswagen zusammengestoßen wäre, worauf mich der Einkaufswagenschieber anmotzte: „Sojah beim Aldi-Führerschein biste durchjefall’n, wa? Ähnliche Erlebnisse folgten. Viele. Ich bin von Rentnern beschimpft worden, weil ich mein Fahrrad abends an einer Bushaltestelle angeschlossen hatte und das nicht gut aussah. Ich bin beschimpft worden, weil ich auf dem Bürgersteig rumstand, einfach so. Weil ich kläffende Hunde böse angeguckt habe. Weil ich in der Lebensmittelabteilung für eine Verkäuferin gehalten wurde und nicht wusste, wo der Fleischsalat steht. Verdammt rauhe Sitten hier.

Ganz anders in Norddeutschland. Neulich war ich auf dem Open-Air-Festival in Scheeßel, einer Kleinstadt zwischen Hamburg und Bremen (ja, eigentlich bin ich zu alt für so was). Es war der zweite Tag, ich hatte zu viel minderwertiges Dosenbier getrunken, durch mein Billigzelt hatte es überraschenderweise durchgeregnet, es war kalt, es war laut, und ich brauchte lange, um einzuschlafen. Dann schlief ich aber selig bis um elf durch, ohne dass mich irgendjemand zu stören wagte. Als ich am späten Abend wieder in Berlin war, entdeckte ich auf meinem Handy eine SMS. Sie stammte aus dem Nachbarzelt: „Bitte nicht schnarchen“. So höflich und dezent sind sie im Norden! Zumal ich da oben überhaupt keinen Empfang hatte. Sonja Niemann

Es gibt auch höfliche Berliner. An dieser Stelle: Danke an den Busfahrer, der mich nicht im Regen hat stehen lassen, obwohl ich spät dran war und nur einen 50-Euro-Schein zum Bezahlen hatte, den er nicht wechseln konnte. In Hamburg wäre er vermutlich mit höflichem Achselzucken davongefahren.

Sonja Niemann

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