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Was machen wir heute?: In der Reihe tanzen

Sie war Südamerikanerin. Jung, kaffeebraun, schwarzgelockt und knackig.

Sie war Südamerikanerin. Jung, kaffeebraun, schwarzgelockt und knackig. Sie trug ultrakurze Jazzpants und ein Bustier, sonst nichts. Stand vor dem Spiegel und machte sehr grazil extreme Dehnübungen. Dahinter wir: sieben schnaufende mittelalte Tanten, in passformlosen Trainingshosen. Rote Köpfe, rutschende Brillen, steife Gelenke. Wir wollten lateinamerikanischen Ausdruckstanz lernen, und der halbnackte Gummiknochen war die Lehrerin.

Grundsätzlich finde ich es allerdings völlig richtig, wenn mittelalte Tanten, die feurige Ausdruckstänze lernen wollen, mit Spott und Häme begossen werden. Also fragte ich mich beim Blick in den Spiegel: Was tue ich hier? Warum lasse ich den Menschen aus Südamerika nicht ihre Ausdruckstänze, ohne die ungelenk nachzuäffen. Haben wir im Westen nicht schon alles: die wirtschaftliche Vorherrschaft auf der Welt, die höchste Lebenserwartung bei bester Gesundheit und guter Unterhaltung. Warum nun auch noch südamerikanische Ausdruckstänze okkupieren? Es muss mit dem Imperialismus auch mal Schluss sein.

Ähnlich schien auch die Gummiknochenfrau zu denken. Ohne weiter von uns Notiz zu nehmen, bog sie erst ihre Wirbelsäule in viele Richtungen, schaltete dann die Musik laut und tobte durch den Saal, trippelnd, kreiselnd, grätschend, immer wieder laut mitsingend. Und wir stolperten hinterher, aufgelöst, links und rechts verwechselnd, am Ende gegen die Wand prallend. Caramba!, dachte ich: So geht es nicht.

In der Nacht träumte ich schlecht. Ich fand meine Brille nicht, brauchte sie aber dringend! Überall waren Menschen, aber niemand half mir beim Suchen, im Gegenteil: Sie hielten mir lachend kaputte Brillen oder Sonnenbrillen hin. Meine Traumdeutung ergab, dass ich dabei war, den Durchblick zu verlieren. Falsche Brillen = falsche Tänze, das war ja wohl klar. Ich probierte eins-zwei-drei einen Walzer. Geht ja auch, dachte ich: Olé! Ariane Bemmer

Walzer, den man früher auch den „Deutschen“ nannte, lernt man im Ballhaus Walzerlinksgestrickt, Am Tempelhofer Berg 7 d, Kreuzberg, Tel. 69 50 50 00

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