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Was machen wir heute?: Langlauf

Eine der ersten Geschichten, die ich über Berlin hörte, war die von Röbi aus der Schweiz: Eines Morgens soll er sich im Treppenhaus auf seine Nachbarin gelegt haben. Nein, nichts Sexuelles.

Eine der ersten Geschichten, die ich über Berlin hörte, war die von Röbi aus der Schweiz: Eines Morgens soll er sich im Treppenhaus auf seine Nachbarin gelegt haben. Nein, nichts Sexuelles. Röbi hatte sich, leicht angeheitert, die Skier angeschnallt und war, als die Nachbarin gerade von einem Spaziergang zurückkam, die Treppen runtergebrettert.

So ist das mit den Neuberlinern aus der Schweiz: Berlin ist schön – aber viel zu flach. Männer wie Röbi und ich brauchen Abhänge und Bretter unter den Füßen. Aber ab 40 lässt sich das platte Land leichter ertragen. Früher wollte ich einfach nur Berghänge runterrasen; heute kann ich auch dem Altherrensport Langlauf etwas abgewinnen. Und auf der Landebahn des ehemaligen Flughafens Tempelhof sollen kürzlich Loipen gespurt worden sein. Nur wo? Ist das eine Zeitungsente?

Ich schlittere über Schnee und Eis. Gelegentlich stoße ich auf Skispuren. Doch sie enden abrupt im Nichts, genau wie ich das von Berliner Radwegen kenne. Querflugfeldein kämpfe ich mich auf meinen Brettern weiter vorwärts. Für einen Augenblick komme ich mir wie ein echter Berliner vor, der mutig und kompromisslos sein Ding durchzieht. Dann verliere ich das Gleichgewicht.

Das Tollste am Langlaufparadies Tempelhofer Feld: Es ist ein Geheimtipp. Lediglich eine Krähe leistet mir Gesellschaft. Auf mehr als vier Quadratkilometern. Irgendwann stapft mir eine Fußgängerin entgegen. „Sorry, do you speak English?“, fragt sie. „I am looking for the airport.“

Schließlich finde ich die Loipe doch noch. Sie verläuft etwas abseits, entlang einer Absperrung, an der auf Schildern alle paar Meter „Hier brütet die Feldlerche von April bis Juli“ steht. Schwungvoll gleite ich dahin. Im silbergrauen Licht zeichnet sich die Silhouette des Fernsehturms ab. Nur mein Atem und das Sirren der Skier sind zu hören – mitten in der Großstadt. Es gibt Tage, an denen ist Neuberliner der schönste Beruf der Welt. Till Hein

Vermietung von Langlaufskiern und mehr: „Der Berg ruft“, Schlesische Straße 26, Kreuzberg, Telefon 611 64 84, www.boarderline.de

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