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Was machen wir heute?: Nur spielen

Wie ein Neuberlinerdie Stadt erleben kann

Ich sitze in der S-Bahn und lese Hölderlin: Immer spielt ihr und scherzt? ihr müßt! o Freunde! mir geht dies / In die Seele, denn dies müssen Verzweifelte nur.

Im Vierersitz zu meiner Rechten unterhalten sich drei Jungs:

„Ey Alter, im Juli bin ich mal klar der Erste, wenn die neunte Serie erscheint.“

„Magic?“

„Boah, du kriegst ja nix mehr mit.“

„Naruto, oder was?“

„Jo.“

„Geil. Biste sicher?“

„Stand in Kartefakt.“

„Welche findest du eigentlich besser: Die Wind- oder die Feuerschatten?“

Der dritte schaltet sich ein: „Voll die Japanscheiße.“

„Ey Alter, pass auf! Naruto oder Sasuke hätten jeden Ritter im Mittelalter plattgemacht.“

„Na und? Dafür waren die nicht so peinlich.“

„Als ob dein Schwarze-Auge-Streuner nicht peinlich wär’. Wie heißt der noch mal: Schwuletto?“

„Saretto, du Spast! Der isst eure Ninjas aber mal zum Frühstück. Seit letzten Dienstag bin ich Stufe 15 und hab jetzt Gewandtheit 18 und die Talente Bogenschießen und Reiten auf Max.“

„Gähn. Naruto hat einen neunschwänzigen Fuchsdämon in sich. Der würde dich noch nicht mal berühren, so egal bist du dem.“

„Ah ja? Hat der auch einen geweihten Boron-Khunchomer und einen Zahn von Fuldigor?“

„Boah, wen interessiert hier dein Fuldigor.“

„Muss raus. Kommt ihr Samstag zum WoW?“

„Ja, bis denne.“

Ich schaue dem Aussteigenden hinterher und frage mich, ob wohl manche Eltern ihren Kindern harte Drogen anbieten, wenn die dafür versprechen, mit den Rollenspielen aufzuhören. Andererseits ist Hölderlin, der es mit dem Spielen nicht so hatte, wahnsinnig geworden. Anselm Neft

Der andere Spieleladen, Prenzlauer Allee 192. www.der-andere-spieleladen.de

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