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Was machen wir heute?: Über Hertha diskutieren

Wie ein Vater die Stadt erleben kann

Es gab mal eine Zeit, da waren zwei meiner drei Jungs Fans von Bayern München. Der Große hat es den Bayern nicht vergessen, dass ihr Sieg in der Champions League vor acht Jahren sein erstes Liveerlebnis vor dem Fernseher war – typischer Fall von frühreifem Eventfan. Die Zuneigung des Mittleren trug eher zwischenmenschliche Züge. Früh hatte er Olli Kahn zum Vorbild in allen Lebenslagen erklärt. So etwas kommt in den besten Familien vor.

Nur der Kleine hatte immer schon ein Hertha-Trikot im Schrank, was aber weniger lokalpatriotisches Bekenntnis denn Protesthaltung gegen seine Brüder war. Er ist dann auch sofort einverstanden, als ich zur Vorbereitung des möglicherweise anstehenden Schulaufsatzes „Mein schönstes Ferienerlebnis“ einen Besuch beim Hertha-Training vorschlage. Sein Trikot mag er nicht anziehen: Ist irgendwie uncool, außerdem steht auf dem Rücken der Name „Marcelinho“ – ein Brasilianer, der längst nicht mehr bei Hertha spielt. Der Große findet Bayern immer noch besser als Hertha, aber weil er mit seinem Religionskurs in Italien weilt, fällt seine Meinung nicht weiter ins Gewicht. Der Mittlere lässt sich überreden, besteht aber darauf, dass wir keine Karten für den Oberring kaufen, weil man von da so einen schlechten Überblick hat. Mit Beruhigung nimmt er zur Kenntnis, dass Hertha gar nicht im Olympiastadion trainiert, sondern auf einem Nebenplatz.

Als wir ankommen, nieselt es. Wir stellen uns unter einen Baum und schauen den Stürmern beim Schusstraining zu. Es fallen ziemlich viele Tore, und die Jungs debattieren darüber, ob das nun an den guten Stürmern liegt oder an den schlechten Torhütern. Der Mittlere findet, dass es mit Olli Kahn anders aussehen würde. Noch ehe ich darauf eine Antwort finde, wird aus dem Nieselregen ein mittelschweres Gewitter, das unseren Trainingsaufenthalt abrupt beendet. Auf der Fahrt zurück nach Hause sind sich der Kleinere und der Mittlere einig: Hertha sollte doch besser im Olympiastadion trainieren, da gibt es immerhin ein Dach. Sven Goldmann

Hertha spielt am Sonntag um 15.30 Uhr vollüberdacht im Olympiastadion gegen Bremen.

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