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Kultur: Was machen wir heute?: Völlig neue Vokabeln lernen

Sie möchten Ihr Schulenglisch auffrischen? Und es um ein paar Begriffe bereichern, die im Englischen so hübsch als "sexually explicit" umschrieben sind?

Sie möchten Ihr Schulenglisch auffrischen? Und es um ein paar Begriffe bereichern, die im Englischen so hübsch als "sexually explicit" umschrieben sind? Dann schnappen Sie sich Ihr Vokabelheft und gehen heute Abend ins Kreuzberger Theater "Friends of Italian Opera". Dort läuft zur Zeit "Closer" von Patrick Marber. Die Inszenierung von Regisseur Michael McGrath hält, was das "Explicit Language"-Warnschild auf dem Plakat verspricht.

In dem rauen Stück dreht sich alles um das Lust- und Liebesleben vierer Großstädter, die verzweifelt nach Glück und Befriedigung suchen. Dabei präsentiert die vierköpfige Schauspieltruppe ein ansehnliches, tatsächlich sehr explizites Vokabular, das man so weder in der Schule noch im Sprachurlaub zu hören bekommt. Hätten Sie zum Beispiel gewusst, was ein "charity fuck" ist?

Neben derlei praktischer Lebenshilfe bietet "Closer" allerdings noch einiges mehr. Nämlich ein ziemlich gutes Stück mit pointierten, teils sehr witzigen Dialogen. Es wurde seit seiner Erstaufführung vor fünf Jahren von der Kritik hoch gelobt und mit Preisen bedacht. Ein bisschen Verwechslungskomödie, ein bisschen Beziehungsdrama, ein bisschen Gesellschaftskritik. Und dabei sehr unterhaltsam. In Berlin war es bislang nur auf deutsch zu sehen, so am Gorki-Theater unter dem Titel "Hautnah".

Erzählt wird die Geschichte zweier Männer und zweier Frauen, deren Wege sich über die Jahre immer wieder kreuzen. Dabei ergeben sich die unterschiedlichsten Beziehungskonstellationen, die allesamt entweder tragisch oder komisch verlaufen. Meistens beides zusammen. Die Männer, gespielt von Clayton Nemrow und Ian T. Dickinson, kommen als selbstmitleidige, triebgesteuerte Neurotiker daher. Sie halten sich für die Herrscher der Welt, und ziehen am Schluss doch den Kürzeren. Die Frauen, Dulcie Smart und Megan Gay, treten als tragische Heldinnen auf, die ihren Gegenspielern auch in der Opferrolle zumindest noch moralisch überlegen sind. Und hinterher kann man bei einem stilechten Glas Guinness oder Cider im Hinterhof des Theaters darüber diskutieren, warum offenbar Pat Benatars Verzweiflungsruf aus den frühen Achtzigern unverändert stimmt: Love is a Battlefield.

Außerdem hilft der Besuch von "Closer", künftig eine Peinlichkeit beim Plaudern mit Muttersprachlern zu vermeiden. Ist es Ihnen auch schon aufgefallen? Immer, wenn man bei einem Smalltalk mit Engländern oder Amerikanern auf jenen deutschen Denker zu sprechen kommt, dem wir den kategorischen Imperativ verdanken, laufen die Gesprächspartner schamrot an. Genauso, wenn man sich mit seinem Gegenüber in der Kantstraße verabreden oder von einem Film im Kant-Kino erzählen will. Woran das liegt? Die Antwort verbietet sich hier aus Gründen des Jugendschutzes. Aber glauben Sie mir: Nach dem Theaterbesuch werden Sie bei internationalen Smalltalks unseren Philosophen nur noch unverfänglich und unbelastet als "Känt" aussprechen.

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