zum Hauptinhalt

Was machen wir heute?: Vor dem Gorm fliehen

Wir waren gerade rechtzeitig geflohen. Der Streit hatte zwischen Gorm und Besta zu schwelen begonnen und sich in der SB-Halle zum Flächenbrand ausgewachsen, wir liefen zum Auto, fuhren von Ikea davon, fuhren dorthin, wo keine Möbel mit betont harmlosen Lilalaune-Namen Gereiztheit um sich verbreiten, weil man die eine Ecke im Bad nicht ausgemessen hat, der Regalboden nicht zu finden ist und man nicht das gleiche Bett wie der Typ da vorne haben will.

Wir waren gerade rechtzeitig geflohen. Der Streit hatte zwischen Gorm und Besta zu schwelen begonnen und sich in der SB-Halle zum Flächenbrand ausgewachsen, wir liefen zum Auto, fuhren von Ikea davon, fuhren dorthin, wo keine Möbel mit betont harmlosen Lilalaune-Namen Gereiztheit um sich verbreiten, weil man die eine Ecke im Bad nicht ausgemessen hat, der Regalboden nicht zu finden ist und man nicht das gleiche Bett wie der Typ da vorne haben will.

Wir flohen also und versteckten uns bei „Mecki’s Basar“. Keine genormte Individualität hier, sondern ein Sammelsurium an Einzelstücken, Sekretäre mit zierlichen Fesseln, wuchtige Sessel, Schränke aus knarzendem Holz. Mittendrin sitzt Jörg Reulens und telefoniert: „Vergessen Sie’s, sie ist hässlich wie Sünde“, sagt er, „gebeiztes Weißholz, scheußliche Kommode.“ Reulens gründete „Mecki’s Basar“ 1970. Ein Jeansgeschäft eröffnen oder in Antiquitäten machen, war die Frage damals, beides schien Zukunft zu haben, erst einen Jeansladen, in der Kantstraße, gab es in West-Berlin. Reulens entschied sich für Möbel, wie seine Mutter, die einen Antiquitätenhandel in Prag hatte. Als 1972 die Anordnung erging, dass alle Berliner aus Sicherheitsgründen Keller und Böden zu entleeren hätten, konnte er sein Lager füllen. Viele seiner frühen Käufer waren Juden, vor den Nazis nach Amerika geflohen, die Heimat in ihre Wohnzimmer holen wollten. Reulens hatte Glück, wurde einer der Großhändler, mit dem die DDR Handel trieb, jeden Monat bekam er 3000 Möbel von dort, einmal boten sie ihm 400 Klaviere auf einmal an.

Gerade hat Reulens einen Schreibtisch an die Requisiteure des Knef-Films verliehen, für „Valkyrie“ mit Tom Cruise schleppten Filmleute ein Herrenzimmer nach dem anderen weg. Ansonsten werden die Kunden weniger. „Das ist die Generation Ikea“, sagt er. Wir beide kaufen uns zwei Schreibtische für die Ewigkeit und fahren sehr friedlich miteinander nach Hause. Verena Friederike Hasel

Mecki’s Basar, Konstanzer Str. 14 in Berlin- Charlottenburg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false