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Was machen wir heute?: Zerfleischern zuschauen

Wie ein Ost-Berlinerdie Stadt erleben kann: in West-Berlin an der Schaubühne.

Von David Ensikat

Seit der Tagesspiegel umgezogen ist, bin ich selten in West-Berlin. Die Potsdamer Straße, wo wir mal waren, die war noch West-Berlin; hässlich zwar, aber West-Berlin. Der Askanische Platz jetzt, der ist Niemandsland. Eine Art toter Winkel, weder Ost noch West, dafür mit S-Bahn-Anschluss. Einen Bus haben wir auch, gleich um die Ecke. Mit dem bin ich neulich weit in den Westen gefahren, den ganzen Ku’damm hoch bis zum Lehniner Platz, der so sehr Westen ist, dass er schon wieder nach Osten klingt.

Wirklich, ich will keine Gräben aufreißen, wie sollte ich. Ich wohne in einer Ostgegend, die viel westlicher ist, als manche Westgegend. Ich bin halt nur so selten im echten Westen. Die Ku’dammgegend ist für mich eine andere Stadt, so wie Moskau oder Köln.

Am Lehniner Platz besuchte ich die Schaubühne, das Theater, das von Leuten geführt wird, welche immer noch als „jung“ bezeichnet werden, obgleich die meisten „alten“ längst tot sind oder nichts mehr tun. Diese „jungen“ Leute machen ein sehr bürgerliches Theater, manchmal zwar laut, mit Video und etwas nackter Haut, aber wirklich sehr bürgerlich: Menschen ohne Geldsorgen zerfleischen sich und ihre Lieben mit großer Sorgfalt.

Selbstverständlich habe ich mich gefragt, man soll das ja, was das alles mit mir zu tun hat. Keine Geldsorgen habe ich leider nicht, und das mit dem Zerfleischen – da tut man natürlich, was man kann, aber so rabiat wie die am Lehniner Platz kriegen ich und meine Lieben das dann doch nicht hin. Sonst hätten wir auch längst ein Theaterstück daraus gemacht. Dennoch, diese Aufführung, „Dämonen“, ist eine gute. Die Schauspieler spielen hervorragend, und das Grausen ist sehr hübsch anzuschauen.

Und die Fahrt hinterher mit dem Bus, den Ku’damm wieder runter, die hat mir auch sehr gut gefallen. Er war ganz leer, und alle Läden waren zu. Eine schöne Straße, so gesehen. David Ensikat

„Dämonen“ an der Schaubühne, Lehniner Platz, 4. – 6. April, 20 Uhr.

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