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Grausames Spiel.

© TMG

Kultur: „Was sie spielte, musste sie leben“

Vom Tod umfangen: Erinnerungen an Susanne Lothar, von Ulrich Tukur, Michael Haneke und Luc Bondy.

Sie hatte diese dunkle Energie in sich, sagt ihr Kollege Ulrich Tukur im Deutschlandradio, kurz nach der Nachricht von ihrem Tod (Tsp. v. 26.7.). Die Schauspielerin Susanne Lothar, die Hagere, die Verletzliche, hat ihren Mann Ulrich Mühe gerade um fünf Jahre überlebt; am Sonntag hatte sich Mühes Todestag zum 5. Mal gejährt. „Es war immer sehr viel Verzweiflung in dem, was sie gemacht hat,“ meint Tukur, und dass er bei vielen sehe, „wie sie auf der Bühne verglühen und großartig sind – und im Leben nicht mehr zurande kommen“. Gemeinsam hätten ihr Mann und sie das Leben gemeistert, aber nicht einzeln, nicht allein. Mühes Tod habe Lothar nicht verkraftet. 51 Jahre wurde sie alt.

„Ich kannte sonst kaum eine so mutige Schauspielerin, die sich alles getraut hat“, sagt auch Regisseur Michael Haneke. Ihr Tod sei für den Film und das Theater eine Katastrophe, ein Schock. Sie und Ulrich Mühe, fügte der österreichische Filmemacher hinzu, seien im deutschsprachigen Raum seine „Haupt- und Lieblingsschauspieler“ gewesen. Vier Mal stand Lothar vor Hanekes Kamera, zuletzt im schwarz-weißen Dorfdrama „Das weiße Band“ von 2009, angesiedelt in der Provinz am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Sie spielte eine Hebamme, die den Dorfarzt liebt, sich von ihm demütigen und entwürdigen lässt, eine verbitterte, aber doch heiß-kalte Masochistin, eine ihrer vielen Figuren, die aus der Hoffnungslosigkeit Überlebenskraft destillieren. Auch in Hanekes Kafka-Verfilmung „Das Schloss“ trat sie auf; in seiner Adaption von Jelineks „Klavierspielerin“ stand sie mit Isabelle Huppert vor der Kamera.

In Hanekes Thriller „Funny Games“ (1988) war sie die von zwei sadistischen Mördern schikanierte, grausam gequälte Ehefrau, die mit ansehen musste, wie ihrem Mann – Ulrich Mühe – das Bein zertrümmert wurde. Einen der Fieslinge in „Funny Games“ spielte Frank Giering. Er nahm sich 2010 das Leben, mit 38 Jahren.

Im Rückblick scheint Susanne Lothar vom Tod umfangen gewesen zu sein. Auch ihr Vater, Hanns Lothar, wurde nicht älter als 37. Ulrich Mühe starb mit 54 nach kurzer, schwerer Krebserkrankung. Ulrich Wildgruber, ihr Bühnenpartner in der legendären Hamburger „Lulu“, ertränkte sich 1999 in der Nordsee, mit 62 Jahren. Regisseur Peter Zadek, mit dem sie 1998 auch Sarah Kanes PsychoKraftakt „Gesäubert“ stemmte, wurde älter, aber auch er starb an Krebs, im Jahr 2009. Nur ihre Mutter lebt noch, die Schauspielerin Ingrid Andree.

Im Rückblick fällt außerdem auf, wie sehr es der Familie während Ulrich Mühes Krankheit gelungen war, sich vor der Neugier, dem Voyeurismus der Medien zu schützen. Die Nachricht von seinem Tod wurde erst nach der Beerdigung veröffentlicht, der Schutz der Privatsphäre ist offenbar möglich, auf im Internetzeitalter, auch für Promis und Stars. Susanne Lothar entschied selbst, wann sie öffentlich über ihre Trauer und den Schmerz sprechen wollte, sie ließ sich nicht drängen. Und arbeitete weiter, „mit eiserner Disziplin“, wie Haneke sich erinnert.

Man ahnt, welche Anstrengung es bedeuten mag, sich die Kontrolle über das eigene öffentliche Bild nicht entreißen zu lassen. Es klingt auch in der jetzigen Mitteilung des Anwalts Schertz an, in der es heißt: „Meine Mandanten werden aus nachvollziehbaren Gründen keine weiteren Erklärungen zum Tod von Frau Lothar abgeben“. Er bittet darum, von weiteren Anfragen Abstand zu nehmen, „aus Respekt vor der Privatsphäre der Beteiligten“. Zur Familie gehören nicht nur die beiden Kinder des Ehepaars, sondern auch die Schauspielerin Anna-Maria Mühe und der Fotograf Andreas Mühe, Stieftocher und Stiefsohn von Susanne Lothar.

„Was sie spielte, musste sie auch leben“, sagt der Theaterregisseur Luc Bondy, der mit der Schauspielerin amWiener Burgtheater und in Zürich zusammen arbeitete. Viele Schauspieler stellten her, „ und sie hat nicht hergestellt“. chp (mit dpa)

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