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Wayne Wangs Film "DerSeidenfächer": Schwestern für immer

Der chinesisch-amerikanische Regisseur Wayne Wang hat ein sanftmütiges Temperament. Früher kam es Filmen wie "Smoke" zugute, heute setzt Wang vollends auf Gefühligkeit. "Der Seidenfächer" ist eine Hymne auf die Frauenfreundschaft in schwierigen Zeiten.

Ob es eine tief verborgene Seelenverbindung gibt zwischen Madonna, Popstar, und den frischgebackenen Produzentinnen Wendi Deng Murdoch, in China aufgewachsen und laut Presseheft verheiratet mit dem höchst schillernden Medienmogul Rupert Murdoch, sowie der in Malaysia gebürtigen und in Los Angeles lebenden Florence Low Sloan, laut Presseheft verheiratet mit Harry E. Sloan, zuletzt Chef der in Dauerturbulenzen befindlichen Studiolegende MGM? Und ob es letztlich dieser fein schwingenden Schöpfungstriangel zu verdanken ist, dass der in Hongkong geborene und seit langem in den USA lebende Regisseur Wayne Wang für „Der Seidenfächer“ gewonnen werden konnte, Dengs und Lows Herzensprojekt?

Okay, das muss man wohl erklären. Madonna hat unlängst mit „W.E.“ ihr Herzensprojekt von Film in die Kinos gebracht, in welchselbem sich eine luxuriös, aber unglücklich verheiratete Ex-Angestellte des Auktionshauses Sotheby’s höchst identifikatorisch in der Vita von Wallis Simpson verliert – bekanntlich jener bürgerlichen sowie geschiedenen Amerikanerin, deretwegen einst BritenKönig Edward VIII. spornstreichs auf den Thron verzichtete. Folglich pendelt Madonnas Film mit einigem kinetischen sowie kinematografischen Aufwand zwischen zwei Zeitebenen hin und her. Und tut das derart verliebt in seinen Gegenstand, dass er keiner der beiden Geschichten den Vorzug geben mag.

Ebenso tief innig haben sich die oben genannten Produzentinnen in den Roman „Der Seidenfächer“ der BestsellerAutorin Lisa See verguckt, der von der lebenslang herzensnahen Verbindung zweier unglücklich verheirateter Chinesinnen des 19. Jahrhunderts erzählt. Wayne Wang wiederum hat der breit ausgepinselten Historienmalerei die Erzählebene zweier nicht minder unglücklicher Frauen im heutigen China hinzugefügt – und nunmehr fächert sich höchst seiden, nach der Personenverdoppelung in Madonnas tränenreichem „W.E.“, gleich ein Quartett leidender Frauenschicksale auf. Auch hier regiert zwischen dem Damals und dem Heute die strenge Emo-Quote: Kaum hat der fühlende Zuschauer sich den Seelenschmerzen des einen Protagonistinnenpaars zugewandt, darf er schon wieder das andere nicht aus den Augen sowie dem Herzen verlieren.

Immerhin besetzungstechnisch erfährt das „Seidenfächer“-Publikum insofern Linderung, als die vier Figuren von nur zwei Darstellerinnen verkörpert werden. Gianna Jun spielt Snow Flower, die Tochter aus reichem Hause, die im China des 19. Jahrhunderts bald als Ehefrau eines schlichten Schlachters seelisch verkrüppelt – und im Heute ist sie Sophia, eine koreanische Millionärstochter, der ebenfalls ein beträchtlicher sozialer Abstieg beschieden ist. Bingbing Li hingegen rackert sich – auf der Vergangenheitsebene – als Lily aus armen Verhältnissen in eine ökonomisch gesicherte, aber ebenfalls gefühlsarme Ehe hoch. Im Heute gibt sie die Nina: Die fleißige Chinesisch-Lehrerin Sophias arbeitet mittlerweile im Big Business Schanghais und soll mit einem feschen Kollegen demnächst eine Dependance in New York eröffnen.

Wichtig aber sind sie nicht wirklich, diese historischen und gesellschaftlichen Situierungen sowie die damit verbundenen, überwiegend beschwerlichen Sozial- und Zeitreisen – schließlich singt „Der Seidenfächer“ von Anfang bis Ende vor allem das Lied ewiger Frauenfreundschaft. Und verlässt sich dabei auf dekorative Symbole. Im 19. Jahrhundert ist es das brutale Ritual der schon den kleinen Mädchen zwecks Verbesserung späterer Heiratschancen gebrochenen „Lotusfüße“, die die Opfer zu „Laotong“ genannten Seelenschwestern macht. Auf Seidenfächern, die sie einander jahrzehntelang zukommen lassen, teilen die beiden Laotongs fortan in feiner schwarzer Tusche ihr Leid. Und am Ende ist es das zerfledderte Manuskript der nach einem Fahrradunfall im Koma liegenden Sophia, das im Gewand der Schmerzensgeschichte von Snow Flower und Lilys zugleich die Chronik der stets knapp einander verfehlenden Lebenswege von Sophia und Nina zu erzählen sucht. Der Tod ist ein ständiger Begleiter all dieser Leiden, aber ganz ernst meint er es dann doch nicht, schließlich soll das Publikum nach 107 Minuten nicht gänzlich ungetröstet entlassen sein.

Wie kommt’s, dass Wayne Wang, der einmal das großartige Doppel „Smoke“ und „Blue in the Face“ gedreht hat, seit Jahren mit Macht in die vollendet markerschütternde Belanglosigkeit drängt? Und: Sind die neuzeitlichen Leinwände eigentlich ölabweisend genug, um nach der Projektion von eskapistischen Extremsentimentalitäten à la „W. E.“ oder „Der Seidenfächer“ überhaupt noch zur Wiedergabe anderer Welten zu taugen? Das sind so Fragen, die dem Rezensenten durchs filmmusikverklebte Hirn wabern, als er hinausstolpert in die sogenannte Realität. Doch doch, die hat was.

Cinemaxx, Filmkunst 66

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